Vater, Mutter, Tod (German Edition)
durch.
Wie konnte René ihr das nur antun?
Nach all der gemeinsamen Zeit.
Nachdem sie ihm einen solch wunderbaren Jungen geschenkt hatte.
Ihr schönes Haus in Kleinmachnow, für das sie so lange gerackert hatten.
Warum setzte er dies alles aufs Spiel?
Daran konnte nur dieses Miststück schuld sein!
Doch so einfach würden die beiden sie nicht loswerden.
Mit viel zu hoher Geschwindigkeit und quietschenden Reifen verließ sie die Autobahn.
Was, wenn sie im Moment bei ihm war?
Ein Zeichen!
Es war ein Zeichen gewesen, dass sie überall Paula gesehen hatte, im Konferenzsaal.
Ein Zeichen und eine Warnung.
Das Symposium sollte bis Sonntagabend dauern.
René rechnete nicht mit ihrer frühzeitigen Rückkehr. Jacqueline hatte sich so sehr auf die Tagung im Grand Hotel gefreut. Wie stolz war sie gewesen, dass ihr Seniorchef ihr seinen Platz überlassen hatte.
Zweifellos hatte er das Flittchen zu sich eingeladen. In ihr gemeinsames Haus. In ihr gemeinsames Schlafzimmer. In ihr gemeinsames Bett.
Jacqueline kochte vor Wut.
Dennoch kristallisierte sich in ihren wirren Gedanken ein Ziel heraus: Sie wollte die beiden in flagranti ertappen.
Sie parkte den Wagen in einer Seitenstraße. Statt zur Vorderseite des Hauses zu gehen, eilte sie strammen Schrittes zur Rückfront und anschließend den Trampelpfad hinter dem Haus entlang.
Sie öffnete die Gartentür.
Falls jemand im Wintergarten stand und zufällig hinaussah, würde sie entdeckt werden. Sie nahm das Risiko in Kauf.
Energisch marschierte sie zur Terrassentür und spähte hindurch.
Sie versuchte, jenseits der vielen Pflanzen etwas zu entdecken.
Da, der Esstisch, aus diesem Winkel war er einsehbar.
Sie entdeckte den Kerzenständer, ihren Kerzenständer, ihren siebenarmigen Kerzenständer, den sie von ihrer Schwiegermutter zum Geburtstag geschenkt bekommen hatte. Das Familienerbstück!
Eine Rotweinflasche stand daneben. Sie war bereits entkorkt, der Wein atmete.
Eine blütenweiße Tischdecke, das Festtagsservice, für zwei Personen gedeckt.
Dann glaubte Jacqueline, ihr Herz habe seine Arbeit eingestellt.
Sie sah die Frau. Paula.
Als wäre sie hier zu Hause, ging sie auf den gedeckten Tisch zu; lange, rote Kerzen in ihren Händen.
Eine nach der anderen steckte sie in den Kerzenständer.
Dann griff sie nach einer Schachtel Streichhölzer und zündete die erste an.
Ein romantisches Dinner bei Kerzenschein!
Das war zu viel für Jacqueline.
Die Frau musste raus, raus aus Jacquelines Leben; je eher, desto besser.
Sie würde sie an den Haaren packen und ins Freie ziehen.
Sie würde mit ihren Fäusten auf sie einschlagen und ihr mit ihren spitzen Schuhen in den Magen treten.
Sie würde sie eliminieren aus ihrem Leben.
Sie würde ihren Mann und ihren Sohn zurückerobern.
Dafür musste sie nur hinein. Sie rüttelte an der Tür. Verschlossen.
Paula sah sie herausfordernd an. Ihr Gesicht verwandelte sich in eine spöttisch grinsende Fratze.
Miststück! Ich werde dich kriegen!
Jacqueline nahm Anlauf, hielt sich den Ellbogen vors Gesicht und sprang geradewegs durch die Glastür.
10. Kapitel
Zwei Tage vor der Katharsis
M artin Manthey stand an der Tür und klopfte. Ohne eine Antwort abzuwarten, trat er ein.
Das Büro hinter der Tür kannte er bereits. Genau wie bei seinem letztem Besuch, saß Dr. Gregor Rakowski hinter seinem Schreibtisch. Rakowski presste einen Telefonhörer an sein Ohr.
»… noch nie erlebt. Moment mal.«
Rakowski hob den Blick und sah Manthey entgeistert an.
»Sie können doch nicht einfach so hier hereinplatzen.«
»Kann ich nicht?«
Manthey schob seine Hand in den Briefumschlag, den er bei sich trug, und holte einen Satz Fotografien daraus hervor.
Er knallte sie vor Rakowskis erschrockenem Gesicht auf dessen Schreibunterlage.
Zuoberst auf dem Bilderstapel lag eine Nahaufnahme eines aufgeschlitzten Halses. Rings um die Wunde war alles blutverschmiert.
Rakowski erinnerte sich, dass er noch einen Gesprächspartner in der Leitung hatte.
»Ich rufe zurück«, flüsterte er, dann legte er auf.
Wie hypnotisiert starrte er auf das Foto.
Da Rakowski nicht in der Lage zu sein schien, den Stapel durchzublättern, zog Manthey das Bild zur Seite. Auf dem Foto darunter konnte man deutlich erkennen, dass es sich bei dem Opfer um einen Jungen handelte. Die kalten Augen zeugten davon, dass jede Hilfe zu spät gekommen war.
Als baue er ein Memory-Spiel auf, ordnete Manthey nun sämtliche Bilder vor Rakowskis Augen gleichmäßig auf
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