Vater, Mutter, Tod (German Edition)
werfen.
»Ja, wen haben wir denn da? Winnetous kleinen Bruder?«
Frau Lutter spielte auf den Plastik-Federschmuck an, der den Kopf des Jungen zierte. Sie beugte sich nach vorn und versuchte, den Jungen in die Wange zu kneifen. Der wich ängstlich zurück.
Die Frau fühlte sich an eine Szene aus ›Hänsel und Gretel‹ erinnert.
Fehlte nur noch die Katze auf dem Buckel.
»Kommt wohl zum Spielen zu Ihrem Sohn, der Kleine.«
»Was meinen Sie?«
»Na, ist doch sicher ein Spielkamerad von Ihrem Sohn. Er ist ja ganz blass. Ist er krank?«
»Ich weiß überhaupt nicht, was Sie von mir wollen: Das ist mein Sohn!«
Frau Lutter sah sie verwirrt an.
»Aber …«
Ehe die Alte ihren Satz vollenden konnte, hatte die Frau den Jungen schon von ihr fort und in den Aufzug geschoben. Sie drückte die Taste mit der Ziffer ›8‹.
Während sich die Fahrstuhltür schloss, rief ihr die Alte hinterher, was sie noch hatte sagen wollen.
»… ich kenne doch Ihren Sohn, Frau Hinz.«
17. Kapitel
Ein Tag vor der Katharsis;
abends
D as Flittchen hat ja bereits einen Schlüssel«, zischte Jacqueline.
Als hätte Paula sich mit dem Specht verschworen, hörte Jacqueline, wie sich die näherkommenden Schritte mit dem Hämmern zu einer Kakophonie vereinten.
Jacqueline sprang auf. Dabei stieß sie an den Wohnzimmertisch; ihr Rotweinglas wankte, blieb aber stehen.
Im Türrahmen erschien die Rivalin.
Über den Wohnzimmertisch hinweg starrten sich die beiden an wie zwei Kampfhunde, die auf den Befehl zum Angriff warteten.
Paulas Make-up konnte ihre Augenringe nicht verdecken. Das Rouge auf ihren Wangen wirkte künstlich und vermochte ihre Blässe nicht zu kaschieren. Sie presste ihre Lippen zu blutleeren Strichen zusammen.
Ihr rotes Haar wirkte wie ein Signal.
Ohne die Kontrahentin aus den Augen zu verlieren, trat Jacqueline hinter dem Wohnzimmertisch hervor.
»Du«, flüsterte sie bedrohlich.
Die Handtasche entglitt Paula und fiel zu Boden, ihre Hände ballten sich zu Fäusten. Ihr malvenfarbenes Businesskostüm wirkte an der kampfbereiten Frau mit einem Mal wie ein Fremdkörper.
»Verschwinde!«, geiferte Jacqueline, doch Paula bewegte sich keinen Zentimeter.
Langsam näherte sich Jacqueline ihr.
»Ich sagte, du sollst verschwinden.«
Warum konnte sie nicht einfach gehen? Das hätte so vieles einfacher gemacht.
Dann musste sie Paula eben hinauswerfen.
Aug in Aug standen sie sich gegenüber. Plötzlich schnellte Jacquelines Hand nach vorn und packte Paulas Haar. Ohne jegliches Mitleid riss sie daran und zog die Rivalin gleichzeitig nach unten.
Doch Paula reagierte.
Mit der einen Hand umschloss sie Jacquelines Unterarm, mit der anderen boxte sie sie in den Bauch.
Jacqueline schnappte nach Luft, aber sie ließ nicht los. Brutal zwang sie Paula hinunter auf die Knie.
Paula hämmerte unterdessen mit beiden Fäusten auf Jacqueline ein.
Als Paula endlich zu ihren Füßen kniete, stieß Jacqueline sie nach hinten.
Paula taumelte. Bevor sie ihr Gleichgewicht wiedererlangen konnte, warf Jacqueline sich auf sie. Paulas zur Verteidigung erhobenen Arme nutzten ihr nichts.
Am liebsten hätte Jacqueline ihr die Augen ausgekratzt.
Warum eigentlich nicht?
Als hätte sie die Krallen eines Raubvogels, trieb sie ihr die Fingernägel übers Gesicht. Die kurzgeschnittenen Nägel erzielten leider nicht die erhoffte Wirkung.
Paula presste ihre Hände gegen Jacquelines Hüfte und versuchte, die Kontrahentin von sich zu stemmen.
Erfolglos. Stattdessen kippten beide zur Seite. Jacqueline behielt die Situation im Griff, gelangte wieder in die dominierende Position.
Dann eben Paulas Hals. Mit beiden Händen umklammerte sie ihn und drückte zu. Paula zappelte hilflos.
Doch auf einmal packten zwei starke Hände Jacqueline an den Schultern.
Ihr Oberkörper wurde zurückgerissen, Paulas Hals musste sie loslassen. Sie versuchte, sich mit einem Ruck nach vorn aus dem Griff zu befreien. Es gelang ihr nicht. Renés Hände klammerten sich wie Schraubzwingen um ihre Schultern.
Ein Schatten näherte sich ihr und schon knallte Paulas Handfläche auf ihre Wange. Der Druck von Renés Fingern verschwand und er schob seine Hände nun zwischen die Streitenden, um sie auseinanderzutreiben.
Die beiden Frauen wollten sich aufeinander stürzen, versuchten mit rudernden Armen, die jeweils andere zu treffen. Die meisten Schläge musste René einstecken.
Mit aller Kraft presste er sie von sich.
»Aufhören, jetzt«, schrie er.
Jacqueline spürte
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