Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vater, Mutter, Tod (German Edition)

Vater, Mutter, Tod (German Edition)

Titel: Vater, Mutter, Tod (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Langer
Vom Netzwerk:
Körper angewinkelt.
    Aus seiner Körpermitte hatte er bereits eine Waffe hervorgezaubert, die er – noch ehe Jacqueline verstand, was gerade geschah – auf sie richtete.
    Mit dem Daumen löste er den Sicherungshebel. Das dazugehörige leise Klacken wiederholte sich in einem Echo, das vom Treppenhaus her ertönte.
    Ohne Paula aus der Schussrichtung zu entlassen, drehte Jacqueline leicht den Kopf.
    Im Türrahmen stand die Zwillingsschwester des Derwischs: Eine Polizistin zielte, die Arme durchgestreckt, mit ihrer Pistole genau auf Jacquelines Stirn.
    »Waffe runter!«, bellte ihr Kollege.
    Ruckartig sah Jacqueline hin und her.
    Beim Sprung durch die Glasscheibe musste sich der Beamte verletzt haben. Auf seiner Wange rann Blut. Seinen Diensteifer schien dies nicht zu zügeln.
    Seine Augen funkelten. Jacqueline erkannte sehr schnell, dass er bereit war, die klitzekleine Bewegung seines Zeigefingers auszuführen, falls es nötig wurde.
    Auch die Polizistin wirkte mitleidlos, ihre Gesichtszüge streng, die Augen schmale Schlitze, das Haar nach hinten zu einem Pferdeschwanz gebunden.
    Zwei Pistolen auf sich selbst gerichtet, eine auf die verhasste Rivalin.
    Jacqueline wusste, dass sie Paula töten konnte. Es war ganz einfach. Sie musste nur den Abzug drücken. In einer Sekunde würde das rothaarige Flittchen tot sein.
    Wenn sie René nicht haben konnte, dann sollte die andere ihn auch nicht kriegen.
    Einfach nur den Abzug drücken.
    Schweiß perlte ihr in die Augen. Sie blinzelte.
    Konzentration, Jacqueline. Ignorier den Specht!
    Einfach nur den Abzug drücken.
    Gerade als sie den Entschluss fasste, es tatsächlich zu tun und gemeinsam mit der Rivalin aus ihrem elenden Leben zu scheiden, hörte sie ein Flüstern.
    »Jackie«, erklang eine Stimme, leise und zärtlich.
    Renés Stimme.
    »Jackie«, wiederholte er.
    Sie wagte nicht mehr, ihren Blick von Paulas Stirn zu lösen.
    »Du brauchst nicht zu schießen.«
    Nur noch ein letztes Mal Worte aus seinem Mund hören.
    »Es ist völlig unnötig, Jackie.«
    Wie er ihren Namen aussprach. Es klang wie Musik.
    »Alles wird wieder gut.«
    Besann er sich? Löste er sich endlich von dieser Frau? Hatte er begriffen, dass er auf Paula, nicht aber auf sie selbst verzichten konnte?
    »René aime Jacqueline.«
    Die Botschaft glich einem magischen Vers. Jacqueline fühlte, wie Hilflosigkeit in ihr aufstieg. Die Pistole schien plötzlich ein Vielfaches ihres tatsächlichen Gewichts zu wiegen.
    All ihre Kraft musste sie mobilisieren, um sie weiter auf Paula zu richten.
    »René aime Jacqueline.«
    »Jacqueline aime René«, antwortete sie flüsternd.
    Jetzt fühlte sie seine Berührung. Wie sehr hatte sie sich danach gesehnt. Seine Handfläche ruhte auf ihrer Waffenhand und übte sanften Druck aus.
    Jacqueline ließ sich führen. Der Lauf der Pistole zielte auf Paulas Brust, auf ihren Bauch, auf ihre Beine. Dann zeigte er gerade nach unten.
    Jacqueline benötigte die Waffe nicht mehr. Sie ließ es zu, dass René sie ihrem Griff entwand.
    Sie hörte, wie René den Sicherungshebel betätigte, und unmittelbar darauf zwei weitere Male das gleiche Geräusch.
    Erst jetzt merkte sie, dass sie immer noch auf Paulas Stirn starrte, genau auf die Stelle, an der die Kugel hätte eindringen sollen.
    Paula sank im Sessel in sich zusammen, eine weiß gekleidete Person näherte sich ihr. Währenddessen fühlte sich Jacqueline an den Oberarmen gepackt. Die zwei Polizisten umringten sie, pressten ihr hart die Arme auf den Rücken. Jacqueline wehrte sich nicht, als hinter ihrem Rücken die Handschellen einrasteten.
    Die Polizisten drehten sie von Paula weg und sie konnte nicht anders, als auf die Person zu starren, die jetzt in der Tür zum Treppenhaus stand.
    Der Mann im Rollkragenpullover. Der schwarze Teufel.
    Er hatte sie also besiegt, war ihrer habhaft geworden.
    Damit die Polizisten sie nach draußen bringen konnten, trat der Mann einen Schritt zur Seite.
    René!
    Sie wand sich. Einen letzten Blick wollte sie erhaschen. Sie konnte eben noch erkennen, wie ihr geliebter René Paula in seine Arme schloss, da befand sie sich auch schon im Treppenhaus und hatte den Sichtkontakt verloren.
    Der Specht hatte aufgehört zu hämmern.
    Dafür hörte sie nun die Stimme des schwarzen Teufels.
    »Bringen Sie Frau Hinz auf die Polizeiwache Potsdam-Mitte.«

19. Kapitel
    Sieben Tage vor der Katharsis;
nachmittags
     
    I m Allgemeinen stellt eine Wohnung oder ein Eigenheim einen sicheren Hafen dar, ein

Weitere Kostenlose Bücher