Vater, Mutter, Tod (German Edition)
einen stechenden Schmerz am Schienbein; Paula hatte mit der Schuhspitze nach ihr gekickt. Einen darauffolgenden Fausthieb Jacquelines fing René mit der Handfläche ab.
Er brüllte auf, doch er verlor nicht die Kontrolle.
Schützend stellte er sich vor Paula. Jacqueline sah keine Möglichkeit mehr, zu der Rivalin durchzudringen.
Sie beugte sich nach vorn, stützte sich auf ihren Knien auf und schnaufte laut.
Paula wollte die Gelegenheit nutzen und nach Jacquelines Haar greifen, doch René verhinderte auch das.
Der Kampf schien vorüber.
Zu ihrer Erleichterung spürte Jacqueline in ihrem Rücken das harte Metall der Waffe. Sie hatte sie während des Handgemenges also nicht verloren.
René drehte sich um und redete leise auf Paula ein. Jacqueline vernahm das beruhigende Flüstern, konnte den Inhalt aber nicht verstehen.
Eigentlich sollte er sich um sie kümmern und nicht um dieses elende Flittchen.
Am liebsten wäre sie erneut auf sie losgegangen. Jedes ihrer roten Haare wollte sie ihr einzeln ausreißen.
Doch solange René dabei war, würde sie keine weitere Angriffschance bekommen.
Schließlich führte René Paula zu einem Sessel und drückte sie sanft nach unten. Sie ließ es mit sich geschehen und setzte sich. Jacqueline hörte, wie Paulas Atem regelmäßiger wurde, ihr eigener ebenso.
»Lasst uns bitte in Ruhe darüber reden, ja?«, sagte René und sein Tonfall erinnerte Jacqueline an den eines Pastors.
Mit der Pistole, die sie hinten im Hosenbund fühlte, konnte sie sich erst mal getrost auf einen Waffenstillstand einlassen; sie nahm wieder auf dem Sofa Platz.
Es wäre ihr lieber gewesen, René säße neben ihr, doch er rückte sich einen weiteren Sessel zurecht und platzierte ihn so, dass sich alle drei im gleichen Abstand zueinander befanden.
Jacqueline fixierte Paula, Paula fixierte Jacqueline.
Aus dem Augenwinkel sah Jacqueline, dass Renés Blick ständig hin und her wechselte.
»Bitte«, begann er. »Wir sind doch erwachsene Menschen.«
Jacqueline triumphierte: Sie entdeckte Tränen in Paulas Augen; die Unterlippe zitterte.
Paula wirkte überhaupt nicht mehr bedrohlich auf sie, eher erbärmlich.
Jetzt schluchzte sie sogar. Jacqueline lächelte.
»Alles wird wieder gut«, René wiederholte sanft und fürsorglich ihre eigenen Worte von vorhin. »Nicht wahr, Jackie?«
Der Klang ihres Kosenamens gab ihr Zuversicht.
»Ja«, antwortete Jacqueline leise, ohne ihre Kontrahentin aus den Augen zu lassen.
»Das Wichtigste ist, dass wir uns lieben«, flüsterte sie kaum hörbar.
Paula ergriff das Wort, und Jacqueline hatte Mühe, sie zu verstehen: »Ich will doch nur Lukas zurück.«
Hatte Paula das wirklich gesagt?
»Lukas«, wiederholte Jacqueline.
»Bitte geben Sie ihn mir zurück. Geht es ihm gut?«
Jacqueline wusste nicht, was die Rothaarige von ihr wollte.
Versuchte Paula etwa, sie zu verwirren?
»Wieso sollte ich ihn zurückgeben?«
»Er ist doch mein Sohn. Gerade Sie sollten die Situation doch verstehen!«
»Oh, ja, ich verstehe die Situation.« Dieser verdammte Specht fing wieder zu hämmern an. »Im Gegensatz zu dir könnte ich René auch weitere Kinder schenken.«
Das hatte gesessen, Paula schrumpfte zu einem Häufchen Elend zusammen.
René wandte sich Paula zu und zerbrach damit die von ihm selbst geschaffene Symmetrie. Er legte ihr seine Hand aufs Knie.
Schlug er sich etwa auf Paulas Seite?
Die rothaarige Hexe hatte ihn also unter ihre Kontrolle gebracht?
Nein.
Das konnte sie nicht zulassen.
Sie durfte sich nicht die Initiative rauben lassen. Die Zeit spielte für Paula.
Jacqueline stand auf, griff nach hinten und zog die Pistole. Während sie in zwei vor Schreck geweitete Augenpaare sah, entsicherte sie die Waffe.
»Ich werde nicht zulassen, dass du dich zwischen René und mich drängst.«
Im Visier Paulas Stirn, Paulas Blick voller Angst und Entsetzen.
»Ich werde dich ein für alle Mal aus unserem Leben eliminieren.«
Plötzlich übertönte lautes Klirren das Hämmern des Spechtes.
Die Glasscheiben des Wintergartens zersplitterten.
18. Kapitel
Ein Tag vor der Katharsis;
abends
E in schwarzer, runder Derwisch krachte durch die Scheiben.
Seinen Flug begleiteten unzählige Glasscherben. Dabei riss der Derwisch eine Pflanze und einen Beistelltisch mit sich.
Der Eindringling landete auf dem Boden, drehte sich um sich selbst und faltete sich in Sekundenbruchteilen auf. Sicher kam er zum Stillstand, ein Knie auf dem Boden aufliegend, das andere vor dem
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