Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vater, Mutter, Tod (German Edition)

Vater, Mutter, Tod (German Edition)

Titel: Vater, Mutter, Tod (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Langer
Vom Netzwerk:
äußerte.«
    »Ich verstehe nicht.«
    »Sie hatte die Ungereimtheiten bereits in ihre eigenen, vermeintlichen Erinnerungen mit eingebaut. In der ersten Version hatte ›ihr René‹ ihren Bericht vom mittäglichen Besuch im Lafayette stillschweigend zur Kenntnis genommen.«
    »Warum hat sie den Einkaufsbummel überhaupt erfunden?«
    »Ich vermute, sie wollte, dass ihre verstorbene Mutter stolz auf sie ist. Immerhin hielt sie sich ja für eine erfolgreiche Architektin. Ihre Mutter, der sie es zeit ihres Lebens nie recht machen konnte, sollte dies würdigen.«
    Für Manthey fügten sich die Puzzlestücke allmählich zu einem Bild zusammen. Rakowski redete weiter.
    »Wer weiß, vielleicht wäre sie in der nächsten Variante statt mit ihrer Mutter mit einer Freundin im Lafayette gewesen, um die Widersprüchlichkeit komplett zu umgehen.«
    Rakowski machte eine kurze Pause.
    »Sogar ich selbst wurde Teil ihres Wahns.«
    »Wie das?«
    »Sie behauptete inzwischen mit felsenfester Überzeugung, sie wäre aus freien Stücken zu mir gekommen. Sie erfand sogar eine ehemalige Kommilitonin, die mich empfohlen hatte. Immer öfter äußerte sie inzwischen auch, sie wäre lediglich wegen der Behandlung ihrer Kopfschmerzen bei mir. Dass sie in der Friedrichstraße aufgegriffen und zwangseingewiesen wurde, hatte sie völlig verdrängt.«
    »Ich mach’ mir die Welt, widdewidde wie sie mir gefällt …«
    »Wie meinen?«
    »Pippi Langstrumpf. Meine Frau sieht sich immer die DVD s an. Musste nur gerade daran denken. Egal. Reden Sie weiter.«
    »In ihrem Kopf ist der komplette Besuch eines Symposiums entstanden, inklusive Einchecken, Vorträgen und Kaffeepausen. Ein Symposium, von dem sie nur ein Ankündigungsblatt in Händen gehalten hatte, und das noch nicht einmal stattgefunden hat.«
    Erneut nahm Rakowski einen Schluck Kaffee, bevor er fortfuhr.
    »Ihre Wahnvorstellungen haben inzwischen solche Ausmaße angenommen, dass sie mir ohne mit der Wimper zu zucken versichert, weder einen Thorsten Hinz noch einen Robin Hinz zu kennen. Sie ist überzeugt davon, mit René Adam verheiratet zu sein.«
    Manthey klappte sein Notizbuch auf und schrieb etwas hinein.
    »Klingt für mich nicht so, als hätten Sie Fortschritte gemacht.«
    Das saß. Rakowski sah ihn entgeistert an.
    »Frau Hinz war in Ihrer Obhut, damit Sie herausfinden, wo der entführte Junge ist. Wohin Thorsten und Jacqueline Hinz ihn gebracht haben. Ich sehe nicht, dass sie sich der Information auch nur einen Schritt genähert hätten. Ganz im Gegenteil.«
    »Aber … die Patientin. Der Fall. Ich habe bereits mit mehreren Kollegen Kontakt aufgenommen. Er ist ein besonders …«
    Manthey schlug mit der Faust auf den Schreibtisch. Seine Ablagekörbchen und Rakowskis Kaffeebecher wackelten. Erschrocken wich Rakowski mit seinem Bürostuhl nach hinten, sein Gesicht fahl, die Augen geweitet.
    Mantheys wohldosierter Wutanfall wirkte, wieder einmal.
    Zufrieden beugte er sich vor, sein Gesicht ließ er ernst und streng aussehen.
    »Ich habe es Ihnen schon einmal gesagt. Es geht um die Opfer, nicht um die Täter. Und um die Lebenden, nicht um die Toten. Ein Kind wurde entführt. Vermutlich schwebt es in Lebensgefahr. Es ist mit einem Mann zusammen, der wahrscheinlich bereits ein Kind auf seinem Gewissen hat. Was ist mit Lukas’ Eltern? Sie sind verzweifelt! Begreifen Sie das?«
    Rakowski kniff die Augen zusammen und musterte Manthey. Er schien zu überlegen. Er suchte etwas in Mantheys Gesichtsausdruck. Zum ersten Mal fühlte Manthey sich unwohl in seiner Gegenwart. Der Psychologe war drauf und dran, tief in seine Seele zu blicken.
    »Was ist eigentlich Ihr Problem? Da steckt doch mehr dahinter«, sagte Rakowski.
    Da ahnte Manthey, dass er Rakowski vielleicht doch unterschätzt hatte.
    »Es geht nicht nur um das entführte Kind. Oder um die verzweifelten Eltern.«
    Verfluchter Seelenklempner.
    »Ich habe sie für einen sachlichen Menschen gehalten, Herr Manthey. Aber Sie nehmen die Sache viel zu persönlich.«
    Manthey sackte in sich zusammen. Mit einem Mal fühlte er sich noch nicht einmal mehr körperlich überlegen. Er griff sich mit der Hand an die Stirn.
    »Möchten Sie es mir erzählen?«
    Jetzt kramte Rakowski auch noch seine Pastorenstimme heraus.
    Zuerst wollte Manthey aufbegehren, doch plötzlich erkannte er, dass Rakowski recht hatte: Er nahm die Sache persönlich.
    Und er hatte viel zu lange mit niemandem darüber gesprochen.
    Der Zeitpunkt war gekommen: jetzt.
    Völlig

Weitere Kostenlose Bücher