Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vater sein dagegen sehr

Vater sein dagegen sehr

Titel: Vater sein dagegen sehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
Vom Netzwerk:
sitzen, aneinandergedrängt wie verregnete Hühner. Es war etwas in ihrer Haltung, was ihm ans Herz griff. An den Wassern Babylons saßen sie und Weinten.
    »Weshalb geht ihr nicht zum Spielen?«
    »Mei', 's gefreut uns halt net.«
    »Also los, dann kommt doch herauf!«
    »Nee — wir mögen lieber hierbleiben.«
    Lutz warf seine Briketts in den Kohlenkasten und ging mit verzagtem Gesicht zu Margot zurück. »Sie sitzen unten auf der Treppe, wie von Gott und Von aller Welt verlassen. Mir wird angst und bange, wenn ich daran denke, daß bis zum Sonntag noch zwei Tage hin sind. Ein Trauerhaus ist das reine Vergnügungsetablissement gegen diese Burg hier.«
    Margot verließ den Turm, was ziemlich ungewöhnlich war, noch vor Anbruch der Dunkelheit. Sie schützte eine Verabredung bei ihrer Schneiderin vor. Lutz empfand es als Fahnenflucht.
    »Kommst du morgen?« fragte er; er fühlte sich stumpf wie ein altes verrostetes Messer.
    »Ja, natürlich«, antwortete sie, »ich kann mir nicht denken, daß etwas dazwischenkommmen sollte.«
    Er wußte in diesem Augenblick genau, daß sie nicht kommen würde. —
    Obgleich es durchaus nicht eilte, denn es stand ihnen ja noch der ganze Samstag zur Verfügung, begann er, nur um sich und die Kinder zu beschäftigen, schon heute mit dem Packen. Dabei stellte es sich heraus, daß der Besitz der Kinder in der Zwischenzeit beträchtlich angewachsen war. Besonders Traudls Garderobe, aus Margots Beständen angereichert, füllte einen der beiden Koffer, die sie mitgebracht hatten, fast allein aus. Lutz mußte ein paar leere Pappkartons vom »Speicher« unterhalb der Treppe heraufholen. Er packte, und die Kinder reichten ihm ihre Sachen zu. Sie taten es mit Gesichtern, als würden sie gezwungen, ihr eigenes Grab zu schaufeln. Und so etwas Ähnliches war es ja wohl auch. — Selbst der Spitz Bello schien die niedergedrückte Stimmung zu verspüren, er lag mit schlappen Ohren und stummem Schweif neben dem Herd und winselte manchmal leise.
    »O mei', Bello«, seufzten die Kinder; es klang, als sagten sie: dummer Hund, weshalb winselst du eigentlich? Du hast es doch fein getroffen, du darfst ja hierbleiben.
    Das war der »schwarze Freitag«. Es folgte ein 5 amstag, der Lutz später noch in der Erinnerung Alpdrücken verursachte. Und dann kam der Sonntag, an dem die Kinder stumm herumsaßen und auf den Ton der Schelle wie auf das Klingen des Armsündergeläutes warteten. Seinem Brief nach war mit dem Eintreffen Friedrich Roeckels gegen zehn Uhr vormittags zu rechnen. Die schweren Koffer hatte Lutz mit einem ausgeliehenen Wägelchen schon am Vorabend zur Bahn geschafft. Margot war, wie Lutz es vorausgeahnt hatte, am Samstag natürlich nicht erschienen. Dafür kam sie am Sonntag schon um acht Uhr morgens nach Hallfeld heraus, mit belegten Broten, hartgekochten Eiern und süßem Reiseproviant. Lutz verstaute alles in den Rucksack, der neben den umschnürten Pappkartons neben der Tür lag.
    Zwei Stunden lang erstickten sie in einem Konzentrat jener Atmosphäre, durch die sich sonst Wartesäle und Bahnsteige auszeichnen. Und es war fast eine Erlösung, als endlich unten die Schelle ertönte. Und es war ein wahres Glück, daß Roeckel nur zwei knapp bemessene Stunden Zeit hatte, wenn er mit den Kindern den Nachmittagszug erreichen und nicht allzu spät in der Nacht in Coburg eintreffen wollte. Außerdem aber mußte er schon morgen früh wieder seinen Dienst antreten; sonst hätte er wohl nichts dagegen gehabt, mit Lutz einmal gehörig zu bechern und ins fröhliche Junggesellenleben hineinzuschmecken. Es war unverkennbar, daß Margot, die Lutz ihm als seine künftige Frau vorstellte, ihn mächtig beeindruckte. Er drechselte handfeste Komplimente und machte Lutz scherzhaft Angebote, ihm seine Margot gegen sein Ulrikchen einzutauschen. Es war ein bißchen peinlich, aber es reinigte die Luft und zwang sogar den Kindern ein kleines, verzagtes Lächeln ab.
    »Wenn ihr's daheim erzählt, gibt's gleich den ersten Krach«, warnte Herr Roeckel. Es sollte wohl wieder ein Witz sein, aber es klangen doch leichte Besorgnisse heraus.
    Um irgend etwas zu sagen, fragte Lutz, ob Frau Roeckel mit ihren Vorbereitungen für die Aufnahme der Kinder gut fertig geworden sei. Er schien mit seiner Frage keine glücklichen Saiten in Herrn Roeckels Seele angezupft zu haben.
    »Sie wissen ja«, antwortete er etwas verdüstert, »meine Alte nimmt's mit dem Haushalt gar zu genau. Es hat allerhand Staub gegeben, bis es soweit war.

Weitere Kostenlose Bücher