Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vater sein dagegen sehr

Vater sein dagegen sehr

Titel: Vater sein dagegen sehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
Vom Netzwerk:
Jetzt haben wir die Couch aus dem Salon in der Wohnküche aufgestellt. Darauf werde ich in Zukunft schlafen. Es ist mir ganz recht so. Erstens braucht sich mein Ulrikchen dann nicht mehr über mein Schnarchen zu beklagen, und zweitens bin ich ja doch die gute Hälfte der Woche nicht daheim. Die Traudl wird in meinem Bett schlafen, neben meiner Frau. Und dem Rudi haben wir ein Bettstadl im Allerheiligsten aufgeschlagen. Da hat dann jeder seine Ruh. Und Schularbeiten machen und spielen können die Kinder in der Wohnküche, die ohnehin unser größter und hellster Raum ist.«
    Von allem hatte Traudl nur vernommen, daß sie nunmehr neben ihrer Tante schlafen würde. Und ihr Gesicht spiegelte ihr Entsetzen so deutlich wider, daß Friedrich Roeckel sie ermutigen zu müssen glaubte.
    »Also beißen tut sie nicht!« sagte er tröstend, aber er schwächte seinen Trost ab, als er hinzufügte: »Wenigstens nicht im Schlaf — da knirscht sie bloß mit den Zähnen.«
    Nach einem herzzerreißenden Abschied von Bello, den Lutz in den Turm einsperrte, brachen sie auf. Die Männer schleppten das Handgepäck, und Margot ging zwischen den beiden Kindern hinter ihnen drein. Das Taschentuch, das sie in der Hand hielt, war naß von den Tränen und von den Nasen, und Lutz, dem schon seit den Morgenstunden etwas im Hals steckte, hatte Mühe, beim Anhören des stoßenden Schluchzens hinter ihm selber trocken zu bleiben. Er glaubte, sich bei Roeckel entschuldigen zu müssen, daß der Abschied den Kindern so schwer fiel, und er wollte auch vermeiden, daß ihre Tränen bei Roeckel vielleicht den Eindruck erweckten, die Kinder fürchteten sich davor, ihm nach Coburg zu folgen.
    »Es sind wirklich verdammt nette Kinder, Herr Roeckel — und ich muß schon sagen, sie haben mir wenig Mühe gemacht, und wir haben uns glänzend miteinander vertragen.«
    »Nun, an mir soll es nicht liegen, daß es ihnen auch bei mir daheim gefallen wird«, sagte Roeckel und schneuzte sich laut, »na, und meine Alte wird sich schon daran gewöhnen müssen, daß es jetzt mal 'nen Kratzer auf dem Parkett gibt. Und wissen Sie — eigentlich gönn' ich es ihr!«
    Sie holten die Koffer von der Aufbewahrung, gingen durch die Sperre und bauten das Gepäck auf dem Bahnsteig auf.
    »Gell, Onkel Lutz, und schreib uns, wie's dem Bello geht!«
    »Na selbstverständlich, Traudl.«
    »Und der rote Ball, der wo unter der Treppe neben der Kartoffelkiste liegt, der gehört der Enslein Bärbl. Ich mein nur, daß d' ihn ihr fei zurückgibst, wenn sie ihn holen kommt!«
    »Na klar, Rudi, ich werde ihn ihr schon geben.«
    Der Zug lief ein, und Roeckel hob die Kinder in ein Abteil. Die Koffer, die Pappkartons und der grüne Rucksack flogen hinterdrein. Innen rieben die Kinder das Fenster blank und drückten sich die Nasen an der Scheibe platt. Der Zug setzte sich in Bewegung, und Lutz rannte winkend neben den rollenden Rädern her.

A C H T E S K A P I T E L

    Und dann war es nun wieder leer und still im Turm.
    Gähnend leer und totenstill. Der Spitz Bello lief vom Arbeitszimmer in die Kammer und von der Kammer ins Arbeitszimmer und von dort ins Treppenhaus, schnuppernd und völlig verstört von dem Rätsel, wo seine Spielgefährten geblieben sein mochten, deren Geruch doch noch an jedem Möbelstück hing. Nannte Lutz die Namen der Kinder, dann stellte er die Ohren auf, winselte und rannte zur Tür. Aber sie blieb verschlossen, und die eiligen Füße trappelten nicht mehr die Stiege hinauf. Es dauerte eine volle Woche lang, ehe er wieder wie früher fraß, und noch länger, daß er die Lauscher nicht hochstellte, wenn er die Kinder aus der Nachbarschaft unten beim Spiel juchzen hörte.
    Lutz ging es nicht viel anders als dem Spitz. Auch sein Appetit war tagelang miserabel. Er würgte die kleinen Leckereien, die Margot ihm zuweilen aus der Hotelküche mitbrachte, ziemlich lustlos hinunter und heuchelte Genuß, um sie nicht zu enttäuschen. Morgens wartete er auf die vertrauten Geräusche, auf das Knacken und Knistern des Holzes im Herd, auf das Plätschern der Wasserleitung, auf das Klirren des Geschirrs, bis er sich besann, daß es damit vorbei war. Zwei oder drei Tage lang stand er zur gewohnten Zeit auf. Aber nicht einmal die Morgenzigarette mundete ihm richtig.
    Ostern rückte mit ein paar fast sommerlich warmen Tagen heran. Junges Grün schob sich über Nacht aus der Erde und aus allen Knospen. Man konnte den Herd schon einmal für ein paar Stunden ausgehen lassen, ohne daß die Finger

Weitere Kostenlose Bücher