Vater sein dagegen sehr
war nicht verschwenderisch, sie bildete sich sogar ein, sehr bescheiden zu leben, aber gelegentliche Theaterbesuche in München oder in Frankfurt, ein Winteraufenthalt in Oberstdorf, ein halbes Dutzend Abendkleider, das »gehörte einfach dazu« — zu ihrem Leben. Und seine Träume? Lieber Gott, ein winziges Haus, ein Garten, eine Sammlung guter Grammophonplatten, und Bücher. Weiß der Himmel, aber irgendwo steckte da ein Fehler in der Rechnung; er spürte, daß sie nicht aufgehen würde. —
Ich muß ihr den Schneid abkaufen, von vornherein! dachte er. Mit dem Frack geht es los. Mit dem Frack schliddere ich nicht nur in die Sonnemannclique hinein, sondern auch in die anderen Cliquen, mit denen ich nichts zu tun haben will, und in den Gesellschaftstrubel, den sie nicht missen kann, wenn sie jetzt auch meinetwegen einmal auf die eine oder andere Einladung verzichtet. Ich will mir die Leute, mit denen ich verkehre, selber aussuchen, und Margot wird sich an meine Bekannten gewöhnen müssen, auch wenn sie keine Fräcke besitzen. Zum Teufel mit dem Frack! Er kommt für mich überhaupt nicht in Frage und paßt nicht zu mir, solange ich kein Einkommen besitze, das den Besitz eines Fracks rechtfertigt! Wer ist der Kerl im Frack? Der Schriftsteller Ventura. Ventura? Nie etwas davon gehört oder gelesen! Der Schwiegersohn vom alten Sonnemann! Ah, darum der Glanz in seiner Hütte!
Nein, nein, nein, nein!
Er hatte sich in eine zornige Erregung hineingesteigert und mußte sie erst abklingen lassen, ehe er den Faden seines Romans wieder aufnehmen konnte. Er arbeitete wieder in der Nacht. Oft setzte er sich erst um zehn oder gar um elf an den Schreibtisch und saß dann bis in die Morgenstunden hinein unter der kleinen gelben Lampe mit der segelnden Karavelle. Aber er spürte deutlich, daß er am Tage besser gearbeitet hatte. Der Stoff verlangte eine scharfe Disziplin, er verlangte den hellen nüchternen Verstand des Tages. In der Nacht überhitzte sich seine Phantasie und ging mit ihm durch. Die Figuren bekamen ein gefährliches Eigenleben, und Lutz ließ sich von ihnen in Verwicklungen hineinzerren, die seiner Konzeption zuwiderliefen. Am nächsten Tage mußte er dann ganze Seiten streichen, um wieder zu den Ausgangspunkten zurückzufinden, die der Anlage des Gerüstes und seiner Absicht entsprachen. Manchmal, wenn Stoff und Tinte zäh wurden, überfiel ihn eine namenlose Furcht, er habe sich zuviel vorgenommen und er würde die komplizierte Verflechtung der Schicksale seiner Figuren nie entwirren. Wahrhaftig, er brauchte eine Ansprache, er brauchte einen Menschen, der nun, da die Kinder nicht mehr im Turm waren, ihm wenigstens half, täglich den Motor anzuwerfen.
Zum Osterfest schickte er den Kindern ein Päckchen mit zwei großen schokoladenüberzogenen Eiern aus Marzipan und viele Grüße auch vom Spitz Bello. Er selber erhielt von Traudl einen Brief: »Lieber Onkel Lutz! Zu Ostern haben wir daheim dem Bello immer einen kleinen Plunzen roten Presack versteckt wo er denn hat suchen müssen und immer gefunden hat auch wenn er auf dem Schrank war der Plunzen. Wenn es dir leit, kostet vielleicht ein Markl, versteck ihm auch heuer einen. Du fragst wie es uns hier geht? Ich sage nur oweh. Der Onkel ist ja soweit gans padent, aber die Tante! Der Rudi sagt, er halts nimmer aus. Kriegt auch oft Kopfnüß und Schopfbeitler, wo er aber eigentlich gar nichts dafür kann, es sind die Nägel unter den Absätzen die wo den Barkett zerkratzen. In die Oberschule bin ich angemeldet aber ob ich hinkomme ist fraglig. Bei der Prüfung hat der Herr Lehrer gefragt umgotteswillen wo habt ihr deutsch gelernt? Aber weil ich Weise bin, kann ich vielleicht als Hosbidant gehen, bis ich in Aufsatz virmbin. Jetzt weiß ich nichts mehr. Fröhliche Ostern deine Traudl.«
Und der Rudi hat mit seiner windschiefen Zweitkläßlerschrift nur einen schönen Servus daruntergemalt, aber die Unterstreichung der Nachricht, daß er seine »Kopfnüß und Schopfbeitler« höchst ungerecht empfange, stammte höchstwahrscheinlich ebenfalls von seiner Hand. —
Kurz vor den Feiertagen überbrachte Margot Lutz die offizielle Einladung, das Osterfest im Schoße der Familie Sonnemann zu feiern. Ihm wurde ein wenig blümerant zumute.
»Da wollen sie mich also beriechen...«
»Natürlich wollen sie dich kennenlernen, das kannst du ihnen doch nicht verdenken.« — Sie ging prüfend um ihn herum. »Laß dir morgen die Haare schneiden, Lutz, sonst denkt mein Vater
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