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Vater sein dagegen sehr

Vater sein dagegen sehr

Titel: Vater sein dagegen sehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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an der Maschine erstarrten oder daß man sich beim Rasieren in die Nase schnitt. Nein, diese Ausrede, mit der er sich früher ins Bett zurückgeschwindelt hatte, galt nicht mehr. Trotzdem begann er wieder zu bummeln, schlief bis in den hellen Vormittag hinein, nahm dann den Bello auf seine Einkäufe mit, verzichtete auf ordentliche Mittagessen, schrieb, um sich selber das Gefühl zu geben, er arbeite, ein paar belanglose Briefe oder versandte ein paar Manuskripte an Zeitungen und wartete schließlich auf den Nachmittag und darauf, daß Margot käme und ein wenig Leben in den Turm brächte.
    Margot beobachtete ihn mit einem leisen Befremden. Es war ihr nicht entgangen, daß er sein Herz an die Kinder gehängt hatte und daß er durch ihre Anwesenheit glücklich verändert und aufgemöbelt worden war. Aber daß er nun geradezu melancholisch wurde, wenn er von den Kindern sprach, und sich in einen Mantel von Lethargie hüllte, der ihm absolut nicht zu Gesicht stand, das hatte sie nicht erwartet. Es war klar, er brauchte Leben um sich herum. Sie konnte nicht vom frühen Morgen bis zum späten Abend bei ihm sein. Also gab es nur eine Lösung: die Beschleunigung ihres Aufgebots.
    »Findest du nicht auch, Lutz, daß Pfingsten ein prachtvolles Fest zum Heiraten ist?«
    »Frau Ulrike Roeckel würde wahrscheinlich sagen, daß ein anständiger Mensch überhaupt nur Pfingsten heiratet...«, er hielt plötzlich ein wenig betroffen ein, da ihm erst jetzt der Gedanke zu kommen schien, daß diese Frage Margots einen sehr persönlichen Bezug hatte.
    »Also gut, dann bleiben wir bei Pfingsten!« sagte Margot resolut. »Hast du deine Papiere zusammen, Liebling?«
    »Ja, alle bis auf die Heiratsurkunde meiner Eltern. Aber ich glaube, man ist heute nicht mehr so streng bei den Standesämtern, und man wird meiner Versicherung Glauben schenken, daß ich von einem Elternpaar abstamme und ordnungsgemäß geboren wurde. Wenn es sein muß, geht es auch ohne dieses Papierchen.«
    »Ich glaube, es muß sein!« sagte sie energisch.
    Er sah sie ein wenig überrascht an.
    »Deinetwegen, Liebling!« sagte sie sanft. »Du weißt doch, wegen des täglichen Tritts.«
    »Also schön, bleiben wir bei Pfingsten.« Aber dann wurde er doch ein wenig ängstlich. — »Du, Margot, um Himmels willen, etwa so eine Hochzeit mit allem Klimbim, mit Frack und Claque und Schleier und mit blumenstreuenden Mädchen vorn und der ganzen Mischpoke hinten im Kirchengestühl?«
    »Ja natürlich! Oder hast du dir etwa gedacht, daß wir in Gretna Green heiraten — husch überm Amboß getraut, wie?«
    Er fuhr sich mit zwei Fingern zwischen Hals und Kragen und rang sichtlich nach Luft. — »Du weißt doch, Margötchen, wie zuwider mir solche Festivitäten sind, und die Ansprachen von Onkel Heinrich, und der witzige Vortrag von Tante Otti mit der Kaffeemühle oder dem Nudelbrett am Polterabend, und das allgemeine Brüderschaftsaufen — Margötchen, kannst du mir das nicht ersparen?« — Er hob flehend die Hände.
    »Nein!« sagte Margot lakonisch. »Hast du sonst noch etwas dagegen einzuwenden?«
    Lutz schüttelte ergeben den Kopf.
    »Den Frack kann man sich ja schließlich von irgend jemand pumpen«, murmelte er, von einer glücklichen Eingebung befruchtet.
    »Du wirst dir selbstverständlich einen Frack arbeiten lassen, Lutz!« sagte Margot streng. »Im gepumpten Frack erscheinst du auf meiner Hochzeit nicht!«
    »Wenn du jetzt noch etwa sagst, daß sich jeder feine Mann zu seiner Hochzeit einen eigenen Frack bauen läßt, dann sind wir geschiedene Leute, mein Herzchen!« sagte Lutz mit wilder
    Entschlossenheit. »Zugegeben, ich bin ein reicher Mann — ich besitze fast siebenhundert Mark! — aber wenn du dir einbildest, daß ich auch nur einen Pfennig davon für das alberne Möbel ausgebe, das man einmal im Leben braucht, dann irrst du dich gewaltig!«
    »Gut«, erwiderte sie kühl, »ich werde mit unserem Oberkellner reden. Der hat noch einen zweiten Frack zur Aushilfe, wenn der neue gereinigt wird. Baujahr 1914. Vielleicht überläßt er ihn dir.«
    »Ein ausgezeichneter Gedanke!«
    Es war ein harmloses Geplänkel, dennoch schieden sie in einer kleinen Verstimmung voneinander. Lutz wurde es wieder einmal, wie schon so oft zuvor, bang, wenn er an die Zukunft dachte. Margot war ein reiches Mädchen, zweifellos, aber manchmal fürchtete er, daß ihr das rechte Vorstellungsvermögen für seine finanziellen Verhältnisse und auch für seine Zukunftsaussichten fehlte. Sie

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