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Vater sein dagegen sehr

Vater sein dagegen sehr

Titel: Vater sein dagegen sehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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Streit. Nein, Herr, ich habe die Schnauze voll, gestrichen und randvoll, sag' ich Ihnen! — Die Kinder haben ins Treppenhaus gespuckt, und die Kinder haben einen Teller zerschlagen, und die Kinder reißen ihre Strümpfe aus lauter Mutwillen kaputt, und die Kinder haben im Lokus nicht gespült, und die Kinder haben mit dreckigen Pfoten an die Wand getappt, und die Traudl spricht im Schlaf, und der Bub hustet die ganze Nacht, daß sie kein Auge zumachen kann.« Er schlug mit der Faust auf den Tisch, daß die Gläser tanzten: »Und da soll man nicht verrückt werden! Da soll einem nicht der Kragen platzen?! Da soll man nicht explodieren, he?!«
    Lutz blieb stumm. Er wußte beim besten Willen nicht, was er darauf antworten sollte.
    »Zum erstenmal in unserer zweiundzwanzig jährigen Ehe habe ich ihr eine hereingeknallt«, gestand Roeckel schließlich dumpf, »aber es hat nichts geholfen — und wohin soll das auch führen?«
    Auch darauf wußte Lutz keine Antwort zu geben.
    »Schlimm, Herr Roeckel, schlimm. Aber sagen Sie, was soll nun weiter geschehen? Irgend etwas muß doch geschehen, darüber sind wir uns doch wohl beide einig, nicht wahr?«
    Roeckel bewegte die Lippen und schluckte trocken.
    »Also — ich — nehme die Kinder zurück nach Coburg — ich nehme sie wieder mit, gut, aber dann — garantiere ich für nichts mehr. Einer von uns endet dann im Narrenhaus, entweder meine Alte oder ich!« Er sagte es im völligen Ernst, mit einem verzweifelten Ingrimm, der auf Lutz nicht ohne Eindruck blieb.
    »Hören Sie mal, das sind aber trübe Zukunftsaussichten«, sagte Lutz gepreßt und ohne jede ironische Färbung, »trübe Zukunftsaussichten für Sie oder für Ihre Frau — die trübsten aber für die Kinder!«
    Roeckel hob die behaarten Fäuste und ließ sie wieder fallen. Es war eine hoffnungslose Geste.
    »Gut, ich nehme die Kinder heute wieder mit. Aber ich weiß nicht, wie das weitergehen soll. Ich weiß es wirklich nicht. Ich habe gehofft, daß meine Alte sich an die Kinder und an Kinderart und =unart gewöhnen wird. Ich habe fest geglaubt, daß sie sie bemuttern wird, aber meine Alte hat kein Herz für Kinder, keine Spur von Herz. Vom frühen Morgen bis in die späte Nacht liegt sie mir in den Ohren, daß ich die Kinder aus dem Hause tun soll — und manchmal bin ich selber schon so weit, daß ich denke, es wäre das Beste für alle Teile, wenn ich es täte. Sonst ist meine Alte wie der Teufel hinterm Geld her — aber dafür möchte sie sogar einen Fünfziger im Monat opfern!«
    »Also sind wir mal wieder beim Waisenhaus angelangt!« sagte Lutz mit schmalen Lippen.
    Roeckel verdrehte kunstvoll den Hals und machte mit der Zunge ein Geräusch, als schmecke er eine Speise ab. Ihm war sichtlich nicht wohl.
    »Waisenhaus — Waisenhaus«, murmelte er beschwichtigend, »nun hören Sie mal, die Kinder haben hundert oder hundertundzwanzig Mark im Monat zur Verfügung, das letzte Mal waren es sogar hundertfünfunddreißig, die uns das Fräulein Weißärmel aus Traunstein überwiesen hat, wenn man da noch fünfzig oder sechzig zuschustern täte, dann müßte man, zum Teufel, doch eigentlich schon ein ganz anständiges Heim finden können, wo man die Kinder gut unterbringen könnte.« — Roeckel war tief niedergeschlagen, und ihm schien der Gedanke, sich von den Kindern trennen zu müssen, außerordentlich nahezugehen. Aber auf der anderen Seite gab es wohl keinen anderen Weg für ihn, um den Hausfrieden wiederherzustellen. Er schwitzte vor Verlegenheit, und seine Hände hinterließen auf der braunen Tischplatte feuchte Spuren.
    »Wenn Sie einen gescheiteren Vorschlag wüßten«, sagte er schließlich und sah Lutz ratlos und hilfesuchend an.
    Lutz schloß die Augen und ließ den Kopf so tief sinken, daß sein Kinn die Brust berührte. Sekundenlang verharrte er in einer Haltung, die Friedrich Roeckel den Eindruck vermittelte, er beuge seinen Nacken vor der Bürde eines übermächtigen Schicksals.
    »Dann gibt es also nur eins«, sagte er schließlich heiser, »daß die Kinder bei mir im Turm bleiben.« —
    Roeckel fuhr wie elektrisiert empor.
    »Mensch, ich habe mich nicht getraut, es Ihnen vorzuschlagen! Nein, ehrlich, ich habe mich einfach nicht getraut«, gestand er mit einem tiefen Seufzer der Erleichterung.
    »Hören Sie auf, Mann!« sagte Lutz wild. »Es ist eine Verrücktheit! Was ich da mache, ist glatter Wahnsinn! Und mir Werden die Knie weich, wenn ich daran denke, wie ich es Margot beibringen soll! Oder

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