Vater sein dagegen sehr
waren.
»Mei, bet'ham mir, daß sie beim Fensterputzen vom Fensterbrettl obafallt«, gestand der Rudi, und etwas von der Inbrunst seines Gebetes leuchtete in seinem Gesicht auf; »aber es hat nix genutzt«, schloß er mutlos, »in Coburg sans evangelisch.«
Lutz erhob sich und warf den Zigarettenrest in den kalten Herd. Er hatte nicht mehr den Mut, den Kindern zu erzählen, daß ihr Onkel Friedrich Roeckel wahrscheinlich noch im Laufe des heutigen Nachmittags im Turm eintreffen würde, um sie abzuholen. Er fürchtete sich vor ihren Tränen, und mehr noch vor ihren Bitten und Beschwörungen, bei ihm bleiben zu dürfen, und »wenn sie im Stiegenhaus« schlafen müßten. Einen Augenblick lang war er versucht, Margot anzuläuten und sie um ihren Rat aus diesem Dilemma zu bitten, aber er unterließ es schließlich, weil er ganz genau wußte, was sie ihm antworten würde. Auf der anderen Seite spürte er ebenso deutlich, daß seine Entschlußlosigkeit, mit der er das entscheidende Wort hinauszögerte, die Kinder in ihren Hoffnungen bestärkte.
Und so kam es denn, daß die Kinder, als es gegen vier Uhr nachmittags läutete und Friedrich Roeckel die Treppe emporstapfte, sich atemlos vor Entsetzen und wie angenagelt gegen das Bücherregal drückten.
»Na, da seid ihr Ausreißer ja!« begrüßte Roeckel sie. »Ich hab' mir doch gleich gedacht, daß Amerika irgendwo in der Nähe von Würzburg liegen muß.« Er war nicht erzürnt, eher war er niedergedrückt und verlegen. »Eine schöne Suppe ist das, die ihr mir da eingebrockt habt, das muß ich schon sagen.« — Er zog ein großes buntgewürfeltes Tuch aus der Tasche und wischte sich die perlende Stirn und den feuchten Schädel ab, auf dem sich die rötlichen, bürstenartig aufstehenden Haare zu lichten begannen.
»Ein ziemliches Malheur, die Geschichte mit dem Waschbecken«, gab Lutz zu, »aber schließlich doch kein Verbrechen, wie?«
»Ein Schmarrn«, erklärte Friedrich Roeckel mit Nachdruck, »aber machen Sie das mal meiner Alten klar!«
Damit fiel das Stichwort, das Lutz veranlaßte, die Kinder auf die Straße zu schicken. Sie lösten sich zögernd von dem bunten Hintergrund, vor dem sie mit seitlich gestreckten Armen und gespreizten Fingern geklebt hatten. Und sie warfen, als sie hinausschlichen, Lutz flehende Blicke zu, Blicke, die einen Stein erweicht hätten. Aber Lutz vermied es, diesen Blicken zu begegnen. Er half Friedrich Roeckel geschäftig aus dem Mantel, bot ihm einen Stuhl und einen Schnaps an und nahm selber am Tisch Platz. Eine Zigarre konnte er ihm leider nicht offerieren, aber Roeckel hatte seinen eigenen Vorrat mitgebracht. Sie rauchten, sie tranken noch einen Schnaps, weil es sich bekanntlich auf einem Bein schlecht stehen läßt, und nach diesen Eröffnungszügen gingen sie mitten in die Partie hinein.
»Sie sind also gekommen, um die Kinder wiederzuholen?«
Roeckel ließ sich mit der Antwort Zeit. Er drehte das Schnapsglas zwischen den starken behaarten Fingern mit den rissigen Nägeln und starrte vor sich hin.
»Ja«, antwortete er schließlich, aber es war ein Ja mit Vorbehalten. Er stellte das Glas weg und griff nach einigen Sekunden doch wieder danach, um es dann mit einem ziemlichen Aufwand von Energie endgültig aus dem Handbereich abzusetzen.
»Also — ich heirate in vierzehn Tagen!« sagte Lutz, um jeden Rückzugsgedanken von Roeckel von vornherein abzuwürgen.
Roeckel nickte düster.
»Sie haben in den Glückstopf gegriffen.«
»Na, das stellt sich meistens erst im Verlauf der Verhandlung heraus«, murmelte Lutz.
Roeckel hob den Kopf und sah Lutz ernst und bedeutungsvoll an: »Da haben Sie ein wahres Wort gesprochen!«
Lutz wurde ein wenig nervös.
»Das ist fraglos ein interessantes Thema. Aber bleiben wir doch lieber bei der Sache. Daß Sie es daheim nicht ganz leicht haben, das weiß ich schließlich.«
»Nein, das wissen Sie nicht«, rief Friedrich Roeckel heftig, »das ahnt kein Mensch, was ich durchmache, seit die Kinder im Hause sind! Die Hölle ist ein Dreck dagegen! Ein Kurort, sage ich Ihnen! — Es war schon früher ein Kreuz mit meiner Alten, aber irgendwie ist es immer wieder weitergegangen. Ich habe zurückgesteckt und zurückgesteckt. Aber seit vier Wochen ist der Teufel los, einfach der Teufel los. — Da freut man sich nun, wenn man vom Dienst heimkommt, hundemüde und kaputt, denn es ist ein anstrengender Dienst, das dürfen Sie mir glauben, und dann erwartet einen daheim nichts als Stunk und Krach und
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