Vater sein dagegen sehr
der Aufführung eines Films, der nach einem Roman von Ernest Hemingway gedreht worden war, kam Lutz erst ins Kino, als die Vorreklame bereits lief. Die Reihen waren nicht allzu stark besetzt; Hemingway schien in Hallfeld nicht gefragt zu sein. Er nahm im Parkett Platz und wurde, kaum daß er sich gesetzt hatte, von hinten flüsternd begrüßt. Er drehte sich überrascht um und sah unter einer eng anliegenden dunklen Kappe in dem schwachen Lichtschimmer, der von der Leinwand zurückstrahlte, einen schmalen, metallisch blinkenden Streifen.
»Fräulein Leinegger.«
»Es wäre viel netter, wenn Sie sich zu uns setzen würden, anstatt sich im leeren Kino ausgerechnet vor mich hinzusetzen.«
Ein grinsender junger Mann, dessen blondes Haar nicht ganz so hell schimmerte, saß neben ihr.
»Mein Bruder Georg«, hörte er sie flüstern und spürte den kräftigen Druck einer Männerhand. Er erhob sich und tappte ein wenig blind zur nächsten Parkettreihe zurück, stolperte über ein paar Beine und landete schließlich glücklich neben ihr.
»Freut mich, Sie kennenzulernen!« flüsterte der junge Mann am Kopf seiner Schwester vorbei zu ihm hinüber.
»Ich habe ihm nämlich Ihren ,Parademarsch zum Nordpol' zu lesen gegeben«, flüsterte Fräulein Leinegger, während eine Stimme von der Leinwand her verkündete, daß man den fränkischen Herbst nur in einem Auto von der Firma Spiller & Co. so richtig genießen könne. — Die Sitze waren ziemlich schmal, und Lutz spürte Fräulein Leineggers Schulter und Wärme an seinem Arm.
»Wann wird die Geschichte nun verfilmt?« fragte Georg Leinegger interessiert.
»Ich erwarte das Drehbuch jeden Tag«, antwortete Lutz.
»Würde mich mächtig interessieren, so was mal zu sehen«, flüsterte der junge Mann.
»Sie sind zur Besichtigung eingeladen«, sagte Lutz, »und wenn Sie sich aus Kaffee nichts machen, dann kann ich Ihnen ein anständiges Zwetschgenwasser vorsetzen.«
»Fabelhaft!« sagte der junge Mann laut. »Ich bin für beides. Wann soll das Fest stattfinden?«
»Benimm dich!« zischte seine Schwester, und Lutz spürte den Stoß, den sie ihm mit dem Ellbogen versetzte, auch an seinen Rippen.
»Ich gebe Ihnen durch Ihr Fräulein Schwester Bescheid.«
Das »Fräulein Schwester« schien die Heiterkeit des jungen Mannes zu erregen. Lutz spürte wiederum einen sanften Stoß, der dieses Mal von der anderen Seite kam und sich durch Fräulein Leineggers Körper zu ihm fortpflanzte. Aber dann begann die Wochenschau, und unmittelbar an sie schloß sich der Hauptfilm an. Zwei Stunden lang saß Lutz neben Fräulein Leinegger Schulter an Schulter und Arm an Arm. Ihre Nähe erregte und beunruhigte ihn. Wenn man ihn, als es hell wurde, nach dem Inhalt des Streifens befragt hätte, der vor ihm über die Leinwand geflimmert war, so wäre seine Antwort ziemlich verschwommen gewesen.
»Hören Sie mal, Herr Ventura«, sagte der junge Mann, als sie sich im Foyer ihre Zigaretten anzündeten, »sie täten mir einen großen Gefallen, wenn Sie meine Schwester heimbegleiten würden. Ich habe nämlich noch eine kleine Verabredung.« Er zwinkerte Lutz bedeutungsvoll zu und ließ in seinem Zwinkern die zarten Gedankenstriche einer Liebesgeschichte ahnen.
»Selbstverständlich!« antwortete Lutz höflich, aber nicht mehr als höflich; innerlich aber segnete er den jungen Mann und ebenso die junge Dame, der er diesen glücklichen Zufall verdankte.
»Also, Hildekind«, sagte der junge Mann und legte zwei Finger brüderlich salopp an den Hutrand, »Herr Ventura ist so nett und bringt dich heim. Ich habe nämlich noch eine Kleinigkeit zu besorgen.« — Er reichte Lutz die Hand und verschwand eilig im Gedränge des Ausganges, ehe seine Schwester dazu kam, auch nur ein Wort des Protestes laut werden zu lassen.
»Ein furchtbar netter Junge, Ihr Bruder!« sagte Lutz und trat an ihre linke Seite. Sie sah ihn von unten herauf an.
»So? Finden Sie?« fragte sie. Es klang, als ob sie mit dem »furchtbar netten Jungen« noch ein Hühnchen rupfen würde.
»Sie müssen die Führung übernehmen, Fräulein Leinegger, ich weiß leider nicht, wo Sie wohnen.«
»Sie machen keinen allzu großen Umweg, Herr Ventura.«
»Schade«, murmelte er, »ich wäre gern noch ein Stück mit Ihnen gelaufen. Die Luft ist mild wie im Sommer, und ich fürchte, daß es mit der Herbstpracht bald ein Ende nehmen wird.«
»Und der guten Luft wegen rauchen Sie, wie?« Ihre dunkle Stimme, die Lutz an braunen Samt erinnerte, klang, als
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