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Vater Unser in der Hölle: Durch Missbrauch in einer satanistischen Sekte zerbrach Angelas Seele (German Edition)

Vater Unser in der Hölle: Durch Missbrauch in einer satanistischen Sekte zerbrach Angelas Seele (German Edition)

Titel: Vater Unser in der Hölle: Durch Missbrauch in einer satanistischen Sekte zerbrach Angelas Seele (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulla Fröhling
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so genau merken?
    Und andererseits: Ist es möglich, dass ein Erwachsener so etwas tut? Dass er ein dreijähriges Kind mit Stromstößen foltert? Dass er es hypnotisiert? Dass er es gezielt aufspaltet? Kann man überhaupt Menschen gezielt aufspalten?
    Seit Kindesmissbrauch kein Tabuthema mehr ist, über das nicht gesprochen werden darf, weiß man: Es gibt nichts, was Erwachsene kleinen Kindern nicht antun. Kinderkrankenhäuser, Polizeidienststellen, die Niederlassungen der Selbsthilfegruppen Wildwasser und Zartbitter können das bestätigen.
    Man weiß auch, dass die Erinnerung schon weit vor dem dritten Lebensjahr einsetzen kann. Frühe Erinnerungen sind oft atmosphärischer Art, Stimmungen, Farben, Gefühle. Aber es gibt auch sehr frühe Erinnerungen an Sprache. 82
    Dennoch: Kann es wirklich sein, dass ein Kind auf diese Weise gefoltert wird? Viele der Foltermethoden, die Angela erlebte, waren in deutschen Konzentrationslagern angewandt und entwickelt worden. Nachzulesen sind sie in den Dokumentationen der Nürnberger Prozesse. 83 Angela hat diese Berichte nie gelesen. Aber ihre Folterer wurden möglicherweise ausgebildet von Wächtern und Folterknechten, vielleicht auch von Ärzten oder sonstigem medizinischem Personal, das Erfahrung in deutschen Konzentrationslagern gesammelt hatte.
    In seinem Buch »Ärzte im Dritten Reich« analysiert Robert Jay Lifton ausführlich und eindrucksvoll die doppelte Persönlichkeitsstruktur der SS-Ärzte, die nach Kriegsende versuchten, ihr »Auschwitz-Selbst abzuwerfen und sich als grundanständige, bürgerliche, gemäßigt-konservative Ärzte zu geben«. 84 Wenige wurden verurteilt, viele übten ihren Beruf bis zum Ruhestand oder zum Tode aus. »Manche«, schreibt Lifton in seinem 1986 in den USA erschienenen Buch, »praktizieren noch heute.« 85
    Es ist durchaus denkbar, dass das über Jahre hin entwickelte Nazi-Selbst mancher Ärzte, das abgespalten in den Untergrund gedrängt war, genau das tat, was unbearbeitetes Abgespaltenes meistens macht: Es brach sich Bahn, schuf sich Raum und agierte weiter. Angelas Aufzeichnungen ihrer Erinnerungen sind aber noch aus einem anderen Grund bemerkenswert: weil sie datiert sind. Ihr Datum liegt lange vor der Veröffentlichung von Michaela HubersBuch über Multiple Persönlichkeiten, dem ersten deutschen Handbuch, in dem derartige »Programmierungen« beschrieben werden. Angela konnte es sich also nicht angelesen haben.
    Und Angelas Aufzeichnungen liegen auch vor der Erstveröffentlichung eines Vortrages des amerikanischen Psychiaters und Therapeuten Corydan Hammond, des sogenannten »Greenbaum Speech«, der am 25. Juni 1992 gehalten wurde. In Deutschland wurde der Vortrag erst Jahre später bekannt, im Internet ist er zugänglich seit 14.9.1994.
    In diesem Vortrag – eine Sensation in amerikanischen Therapeutenkreisen – schildert Hammond erstmals, was ihm einige seiner multiplen Patienten berichteten: gezielte, extrem differenzierte Programmierungen auf mehreren Ebenen von Persönlichkeitssystemen, abrufbare programmierte Innenpersönlichkeiten, die auf identische Stichworte schlagartig immer wieder dieselben Reaktionen, Gefühle, Handlungsabläufe produzierten. Die Reaktionen glichen sich auf unheimliche Weise, obwohl die Patientinnen und Patienten einander nie begegnet waren. Hammond entdeckte Selbstverletzungsprogramme, Selbstmordprogramme, Tötungsprogramme, Programme, die das Bedürfnis auslösen, sofort wieder mit dem Kult in Verbindung zu treten oder den Therapeuten zu verletzen, Schweigeprogramme, Therapie-Störprogramme und vieles mehr.
    Die Programmierungen, die Hammond in Patienten in verschiedenen Teilen der USA entdeckte, entsprechen exakt dem, was Angela aufgeschrieben hatte: die Altersstufen, in denen die ersten Programmierungen stattfanden, wann sie verschärft wurden, die Bilder von Robotern, mit denen gearbeitet wurde, die typische Struktur des Aufbaus, die Art der Befehle.
    Professor Hammond war von seinem Fund selbst schockiert. Bevor er ihn veröffentlichte, überprüfte er ihn, indem er Kollegen und Kolleginnen in vielen Teilen der USA bat, die gefundenen Kodierungen bei ihren Multiplen Patientinnen aufzurufen. Umunverfälschte Ergebnisse zu erhalten, erklärte er den Kollegen vorab nicht, was sie zu hören bekommen würden.
    Die Antworten ließen keinen Zweifel mehr zu: Multiple Persönlichkeiten in vielen Teilen der USA waren gezielt mit den gleichen oder ähnlichen Programmierungen vollgestopft worden. Und sie

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