Vater Unser in der Hölle: Durch Missbrauch in einer satanistischen Sekte zerbrach Angelas Seele (German Edition)
waren systematisch aufgespalten worden.
Darauf veröffentlichte Hammond seine detaillierten Ergebnisse auf einer Fachkonferenz.
Aber wir brauchen gar nicht in die USA zu schauen. Auch in Deutschland sind Patienten und Patientinnen mit derartigen Programmierungen aufgetaucht: Angela ist nicht die einzige. Die Therapeutin Michaela Huber schätzt, dass ein Drittel der MPS-Patientinnen Kult-Überlebende sind und Programmierungen tragen, die sich in der Systematik ähneln. 86 Michaela Huber betont, dass auch ein Vater, der seiner Tochter immer wieder Gewalt antut, ihr dabei ein Schweigegebot ins Ohr flüstert und sie bedroht, in gewisser Weise eine Programmierung vornimmt: »Es entsteht ein Automatismus der Verdrängung, des Schweigens, der reflexhaften Verhaltensweisen und Gefühle, der durchaus als ›Programmierung‹, in jedem Fall aber als ›Terrorisierung‹ bezeichnet werden könnte.« 87
Programmierungen sind Konditionierungen, antrainierte Handlungsabläufe, umfangreicher als der Pawlowʼsche Reflex, aber auf demselben System von Strafe und Belohnung basierend. Sie werden zwanghaft und am Bewusstsein vorbei ausgeführt. Sie sollen funktionieren wie ein Reflex. Das, so Michaela Huber, sei schwierig herzustellen, da Programme künstlich erzeugt werden, natürliche Reflexe aber angeboren seien oder sich im Laufe der natürlichen Entwicklung selbst ausprägten. Daher bedienen sich die Täter »meist sehr grober Mittel. In der Regel koppeln sie starken Schmerz an bestimmte Anforderungen und üben mit dem Opfer die Reaktion so lange unter regelrechten Folterbedingungen ein, bis dieses die gewünschten Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen äußert«. 88
Das Programm wird »gesetzt«, während das Opfer dissoziiert – vor Schmerz dissoziiert, so wie Angela es geschildert hat. Dann wird das Programm mit Auslösereizen gekoppelt, die häufig so banal sind, dass sie leicht und unauffällig im Alltag unterzubringen sind: bestimmte Handbewegungen, eine Rose, eine Zahl, griechische Buchstaben, ein Musikstück.
Man könnte sich die Folgen etwa so vorstellen: Man sitzt mit Freunden gemütlich zusammen und blättert in alten Fotoalben. Mehrmals ist da ein Foto der Mutter eingeklebt, die an einer Rose schnuppert und süß aus dem Bild herauslächelt. Die Freunde finden das Bild etwas kitschig, aber selbstverständlich macht beim Betrachten niemand eine abfällige Bemerkung, um die Tochter dieser Mutter nicht zu kränken. Dann legt man die Alben beiseite, jemand stellt die Musik an, es soll getanzt werden. Da wird der Tochter übel, sie kann sich kaum noch auf den Beinen halten, sie bekommt Kopfschmerzen und den fast unwiderstehlichen Drang, die Mutter anzurufen, mit der sie seit Jahren keinen Kontakt mehr hat. Die Übelkeit wird so stark, dass sie sich ins Bett legt, die Freunde gehen nach Haus, sie bleibt allein zurück. Irgendwann in der Nacht versucht sie, sich die Pulsadern aufzuschneiden. Das ist ein Programm.
Hinzu kommt, dass einige der inneren Persönlichkeiten den Ablauf beobachten können, aber sie können ihn nicht oder nur mit extremer Anstrengung stoppen.
Vielen Patienten half die Veröffentlichung dieser Zusammenhänge, denn eine Programmierung, die man erkennt, kann man auflösen, ihre Sprengkraft entschärfen. Wenn die Therapie Multipler Persönlichkeiten stagniert, liegt der Grund manchmal in nicht erkannten Programmen. Sind sie aufgelöst, geht es voran.
Angela, nach sechs Jahren Therapie, gelingt eine Auflösung in manchen Fällen sogar schon ohne therapeutische Hilfe.
Folgendes hatte Corydan Hammond über organisierte Tätergruppen herausgefunden, die Kinder programmieren: »Sie beginnen, wenn das Kind etwa zweieinhalb ist und bereits multipel. Sie machen das Kind nicht nur durch sexuellen Missbrauch multipel, sondern auch, indem sie eine Mausefalle an seinen Fingern anbringen und die Eltern anweisen, das Zimmer erst wieder zu betreten, wenn das Kind aufgehört hat zu weinen. Zu Hochform laufen sie im Alter von sechs oder sechseinhalb Jahren auf, machen während der Pubertät weiter und setzen bei Erwachsenen mit periodischen Verstärkungen fort.«
Das Kind wird nackt festgeschnallt, erhält eine Spritze, am Kopf werden Elektroden befestigt, um Enzephalogramme zu erstellen, pulsierendes Licht wird eingesetzt, um bestimmte Gehirnstrom-Muster zu erzeugen. Dann beginnt die Programmierung, zum Beispiel eine, die auf Selbstzerstörung oder Erniedrigung der Person gerichtet ist. Hammond nimmt an, dass
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