Vater Unser in der Hölle: Durch Missbrauch in einer satanistischen Sekte zerbrach Angelas Seele (German Edition)
Angst vor dem Schmerz. Oder ist der Schmerz gar nicht in Tessas Bewusstsein eingedrungen?
Zufrieden wendet sich der Mann im dunklen Anzug an sein Publikum: »Welcher der Herren will es auch mal probieren?«
Zum Abschluss seiner Demonstration ermahnt der Dozent die Teilnehmer seiner Fortbildung eindringlich, keine Hypnose zu beenden, ohne drei Dinge zu festigen: das Schweigegelübde, die Verpflichtung auf Satan sowie den Befehl, alles zu vergessen. Zwanzig Jahre später: Tessa erinnert sich. Tessa spricht. Gott sei Dank.
Onkel Paul
Zu Beginn ihrer Therapie hatte Angela einige Berichte über ihre Vergangenheit verfasst. Soweit sie sich erinnern konnte.
Und sie hatte mehrere Dossiers über einzelne Täter geschrieben, die bei ihrer Anwältin und an einem dritten Ort hinterlegt wurden. Darin wird deutlich, wie wichtig Onkel Paul für ihre gesamte Entwicklung war. Angela Lenz weiß auch heute noch nicht genau, auf welche Weise Onkel Paul, einer der vielen Onkel ihrer Kindheit, in die Familie kam. Es besteht die Möglichkeit, dass er schon vor Angelas Geburt mit Teilen der Familie verbunden war.
Über eine Zeit, als Angela noch sehr klein, vielleicht nicht einmal drei Jahre war, schreibt sie:
»Meine Eltern waren verreist, und wir 80 kamen zu Onkel Paul in Obhut. Am ersten Abend brachte er uns und seine Tochter in den Keller. Er fesselte uns auf Stühle, an Hände und Füße band er Metallplättchen, die mit Draht mit einem Kasten verbunden waren. Beim ersten Stromschlag entstand Emma. Er hypnotisierte sie und gab ihr posthypnotische Befehle:
Du wirst alles, was du siehst und hörst, wieder vergessen. Du weißt nichts davon, redest nie darüber. Du vergisst alles. Dir fehlt die Zeit und die Erinnerung bei allem, was ich tue.
Das wiederholte er an den nächsten Tagen. Emma bekam Spritzen und Stromschläge, und Onkel Paul gab ihr Folgendes ein:
Ich bin dein Meister. Du tust alles, was ich dir sage.
Du hörst nur auf mich.
Du bist die Katze und keiner außer mir kennt dich.
Katzen sind leise, heimlich, beobachten alles, sind bei Gefahr sehr schnell. Er wusste, dass es so was wie Gehirnspaltung gibt, er sagte immer: Ich rede zu allem, was ich in dir erreiche.
Mit viereinhalb nahm uns Onkel Paul zu einem Kurzurlaub mit. Dort verlangte er bei seiner Tochter und uns nach den Katzen. Er frischte die Codes auf und gab neue dazu.
Wenn du jemals redest, wirst du dich selber umbringen. Es wird dir schlecht gehen und du wirst sterben.
Du wirst niemals reden.
Er nannte das Unterricht fürs Leben. Er zeigte Emma und seiner eigenen Tochter Bilder von Robotern. Er hatte einen zum Spielen dabei. Sie wurden über Fernsteuerung gelenkt. Er erklärte spielerisch, wie ein Roboter funktioniert. Dass ein Mensch darin sitzt, dass es ihm sehr gut geht, weil er sicher ist und niemand ihm etwas tun kann. Er müsse immer nur das machen, was ihm gesagt wird. Unter Hypnose gab er ihnen das Bild eines Roboters ein, in dem sie nun gefangen seien und keinen eigenen Willen hätten. Nur er könne sie steuern und lenken.
Wenn sie jemals mit anderen Menschen reden, würde es ihnen sehr schlecht gehen, und sie würden sich das Leben nehmen. Sie werden nie ohne Roboter leben können und ihr Herz undihre Sprache auf immer verlieren. Ihre einzige Aufgabe sei es, im Notfall für Zerstörung zu sorgen. Von dieser Programmierung wusste nur er. Sie konnten sich nicht selbstständig melden und waren nur dafür da, dass die zwei verschiedenen Welten getrennt blieben und im Notfall Satans Werk vollenden sollten. Später erklärte er, dass das Leben für Satan heilig wäre und immer getrennt bleiben müsse vom anderen Leben.
Im Laufe der Jahre entstand eine Programmreihenfolge
Du wirst die Welten getrennt halten
Du hast die oberste Kontrolle
Melde dich, wenn es Probleme gibt
Vollende Satans Werk, wenn
die Trennung nicht mehr möglich ist
du erkannt wirst
Ab 1968 hält Onkel Paul Schulungen ab, um anderen zu zeigen, wie man Menschen manipuliert. Zwischen Onkel Paul und der Sekte besteht ein enger Zusammenhang, doch er machte auch viele Dinge außerhalb der Sekte. Ich vermute, er hatte die Aufgabe, für Nachschub zu sorgen und anderen Sektenmitgliedern zu zeigen, wie man Kinder für seine Zwecke einsetzt. Er veranstaltete ›Kinderfeste‹ und gab Schulungen in anderen Städten.« 81
Ist das möglich?
Ist es möglich, dass sich ein Mensch so weit zurückerinnert? Kann ein Kind im Alter von knapp drei Jahren so präzise beobachten und sich die Worte
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