Vater Unser in der Hölle: Durch Missbrauch in einer satanistischen Sekte zerbrach Angelas Seele (German Edition)
alles mitbekomme. Ich bin eben manchmal etwas voreilig in meinen Antworten und Reaktionen. O.K., ich werde trotzdem versuchen, ein wenig zu schreiben.
Fangen wir mit den ›normalen‹ Kindern an. Darunter verstehe ich die Kinder, die den ›normalen‹ häuslichen Missbrauch erlebt haben. Also keine Sekte und keine Kinderpornografie … Diesen Kindern geht es ziemlich gut und eigentlich gibt es die meisten in der Form auch gar nicht mehr. Lena ist z.B. noch da, aber sie hat sich mit einer ganzen Reihe anderer Kinder zusammengetan, so dass es jetzt weniger Kinder sind. Das ist einfach so geschehen … Ich selber habe das gar nicht so mitbekommen.
Ich bin ja mittlerweile auch eine Fusion aus Martha, Miranda, Magda und Angela. Es ist im Alltag nicht mehr nötig so getrennt zu sein, und so sind wir eine Einheit. Allerdings können wir uns in Extremsituationen wieder für kurze Momente trennen. Das ist anders als bei den Kindern. Aber es ist so, dass wir vier eben doch eine Person darstellen. Man kann den Unterschied zwischen uns nicht mehr feststellen. Behaupte ich. Das liegt wohl daran, weil der Alltag es nicht mehr fordert. Wir können ein normales Leben leben und sind auch leistungsfähiger. Allerdings nur in unserer Wohnung. Das ist das riesige Problem. Früher, als wir alle noch so weit getrennt waren, dass auch einer ganz alleine draußen sein konnte, konnten wir draußen mehr machen. Heute haben wir so viel Angst vor dem Leben, den Menschen und der Welt, dass wir zwar draußen einkaufen gehen und die Dinge tun, die nötig sind, aber sonst nur in der Wohnung sind. Alles, was wir außerhalb der Wohnung machen, kostet uns unendlich viel Kraft. Das ist der Preis des Näherkommens. Noch ein Preis ist die Depression und Müdigkeit, die uns immer wieder fast umhaut. Viele Erlebnisse und Erinnerungen sind nun ganz in unserem Bewusstsein und damit auch die Gefühle dazu. Sie sind nicht mehr mit den einzelnen Personen abgespalten, sondern sie sind da. Nun müssen wir damit leben. Es ist verdammt schwer.
Einige andere der ›normalen‹ Personen haben andere Aufgaben übernommen. So sind einige der Jungens (Sigurd, Chris, Jimmy) ganz weit hinten bei den ›Sektenkindern‹ und passen auf, dass sie nicht rauskommen und das Gesamtsystem überfluten. Da wir uns in der Therapie gerade noch mal ganz vorsichtig dranwagen, weil es ganz wichtig ist, besteht auch eine große Gefahr. Ich möchte jetzt nicht so viel drüber schreiben. Der ganze Raum ›Sekte‹ ist ziemlich heftig da zurzeit. Wir wissen zwar vieles vom Kopf her. Aber wenn wir jetzt drangehen, kommen die ganzen Gefühle dazu, und das ist …
Traute ist nach wie vor die Oberinstanz, S. Josefa ist sehr liberal geworden und hat sich durch Eugen Drewermann sehr verändert. Sie lebt heute einen Glauben voller Liebe und Barmherzigkeit, und die ganzen Dogmen und Gesetze sind weg. Das ist sehr erholsam und schön für uns alle. Frieda hat/macht manchmal noch Probleme. Sie ist sehr impulsiv, und wenn jemand uns zu nahe kommt, auch verbal, dann schlägt und schimpft sie schnell los. Außerdem hat sie Angst davor, wieder auf die Straße zu müssen. Immer wenn es wirtschaftlich etwas eng wird, bekommt sie die große Panik.
Das waren erst mal die ›normalen‹ Personen. Oder gibt es da noch jemanden, der was zu sagen weiß??? Ich glaube nicht.
Dann gibt es noch zwei Lager. Das eine ist alles, was mit der Sekte zu tun hat. Das andere ist die Kinderpornografie und der Kinderhandel. Das mit der Sekte macht uns panisch, völlig fertig. Und das andere macht uns wütend und hilflos. Zurzeit kommt wieder so viel im Fernsehen, z.B. ein Bericht darüber, wie politische Gefangene der DDR von der BRD freigekauft wurden. Und wo werden die Kinder erwähnt, die illegal rübergeholt wurden? Wo werden die Politiker erwähnt?
So, ich glaube das genügt erst mal?
Alles Liebe
Wir alle
Hin und wieder macht Angela Annäherungsversuche an die alte Familie. Oder nähert sich diese wieder an? Man könne den Kindern nicht die Großmutter vorenthalten, sagt Angela erklärend. Entschuldigend?
Sie nutzt die Annäherung, um die Familiengeschichte tiefer zu erforschen. Ein Bruder des Vaters, eine Schwester bestätigen Beobachtungen von Missbrauch in der Kindheit. Es gibt Filme von damals, scheinbar harmlose, Angela will sie sehen, sie fährt zur Mutter. Aber dort geht es ihr nie gut. Nach einem Besuch schreibt sie:
Vier Tage war ich bei meiner Familie. Es war schlimmer als in früheren Jahren.
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