Vater Unser in der Hölle: Durch Missbrauch in einer satanistischen Sekte zerbrach Angelas Seele (German Edition)
der Anzeige.
Man glaubt ihr.
Angela Lenz erhält eine Rente, weil sie aufgrund der extremen Gewalterfahrungen in früher Kindheit nicht in ihrem erlernten Beruf arbeiten kann.
Dem Beruf der Erzieherin.
DIE KLEINE TRAUTE
1999
Massaker an der Columbine High School bei Littleton/USA
Osama-bin-Laden Drahtzieher der Anschläge auf
US-Botschaften in Nairobi und Daressalam
NATO-Truppen marschieren in das Kosovo ein
Spendenaffäre der CDU erschüttert – kurz – die Republik
Rammstein veröffentlicht das Album »Live aus Berlin«
»Ärzte ohne Grenzen« erhalten den Friedensnobelpreis
Immer wieder abstürzen
In diesem Jahr beendet Angela Lenz ihre Therapie bei Nina Temberg. Nach neun Jahren. Auch Nina Temberg ist erschöpft. Vielleicht ist ihr Respekt vor Angelas dunklen Persönlichkeiten zu groß. Oder beide brauchen eine Phase der Erholung. Auch voneinander.
Ein Umzug in eine weit entfernte Stadt bringt neue Unruhe in Angelas Leben. Alte Ängste brechen auf. Hält ihre Beziehung? Hat das Leben Sinn?
Eine neue Innenperson taucht auf: die kleine Traute. Warum ist sie da? Ich erfahre es nicht. So schildert Angela diese neue Gestalt in einer E-Mail: »Die kleine Traute ist schüchtern und unsicher und eben klein, aber sie ist eben auch so echt wie die große Traute, und sie ist wie wir.«
Lange findet Angela keine stabile Basis. Sie bemüht sich um Arbeit, aber Panikattacken schießen dazwischen. Schließlich erscheint ihr der Selbstmord als einzige Lösung. Der Bericht über die Tage im Krankenhaus liest sich vertraut: am ersten Tag schwer depressiv, suizidal, ohne Hoffnung. Am zweiten Tag voller Zuversicht und Pläne.
Langsam geht es bergauf. Allmählich findet Angela Lenz sich wieder besser zurecht. Eine Verhaltenstherapie allerdings, mit der sie ihre Panikattacken reduzieren will, ist zu konfrontativ und muss abgebrochen werden. Im Alltag, zu Hause, funktioniert Angela. Unter fremden Menschen wird es schwierig.
Da Angela Lenz eine Rente nach dem Opferentschädigungsgesetz erhält, muss sie sich immer wieder begutachten lassen: Geht es ihr besser, ist sie arbeitsfähig, kann die Rente gekürzt, vielleicht ganz gestrichen werden? Die häufigen Untersuchungen und Befragungen durch fremde, wechselnde Gutachter sind eine weitere Belastung.
Nur wenige formulieren das Problem so klar wie Dirk Schröder, Chefarzt der Psychiatrischen Abteilung des St. Vinzenz Hospitals in Wesel: »Keine der einzelnen Persönlichkeiten«, sagt er 2006 in einem Vortrag zu Dissoziativen Identitätsstörungen, »kann ein Gesamtbild der Störung geben, daher wird sie oft nicht erkannt und falsch diagnostiziert.« So ist es. Doch nur wenige Gutachter haben das begriffen. Die meisten halten ihr Gegenüber beim Gutachten für die Gesamtpersönlichkeit. Oft reden sie aber nur mit der ahnungslosen »Gastgeberin«, denn andere lassen sich nicht blicken.
Leider gerät Angela Lenz oft an die Falschen. Einer bezweifelt explizit ihre lange Trauma-Geschichte. Dann fügt er an: »Da Sie niemanden angezeigt haben, sind Sie schuld am Leid und Tod weiterer Kinder.«
Da bricht sie zusammen. Er trifft den Nerv, die tiefsten Schuldgefühle.
Aber sie hat Kraft und wehrt sich schließlich.
Politisch war das Thema inzwischen nicht mehr unter dem Deckel zu halten. 2002 verwies die Brüsseler EU-Konferenz »Gegen Menschenhandel« auf die Kleine Bundestagsanfrage von 1998. 116 Menschenhandel: die Benutzung von Menschen wie Ware. Das gilt in der »Kinderporno«-Industrie sicher genausowie in Armeen, die Kindersoldaten benutzen, in Diebstahlbanden konditionierter rumänischer Kinder und für andere Opfer ritueller Gewalt.
2005
Angela Merkel wird deutsche Bundeskanzlerin
Als erster Staat Afrikas beendet Benin weibliche Genitalverstümmelung
Vier Selbstmordattentäter in Londoner U-Bahnen töten 56,
verletzen 700 Menschen
Der Hurrikan Katrina verwüstet New Orleans
Archäologin Susanne Osthoff wird im Irak entführt
Paul Schäfer, Gründer der Colonia Dignidad in Chile, ist verhaftet
Fußballwettskandal des DFB
Punk-Band Böhse Onkelz löst sich auf
Immer wieder aufstehen
Im Jahre 2005 bitte ich Angela Lenz, ihre Entwicklung in den letzten zehn Jahren zu schildern. Dies sind Auszüge aus ihrer Antwort:
Hallo Ulla,
da hast du mir ja mit deiner Aufforderung eine schlaflose Nacht bereitet. Ich habe mir das so einfach vorgestellt. Ich schreibe in ein paar Sätzen, wie es allen geht und fertig. Da hab ich mich echt getäuscht. Klasse. Nur weil ich im Alltag nicht
Weitere Kostenlose Bücher