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Vater unser

Vater unser

Titel: Vater unser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jilliane Hoffman
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gereizt.
« Na gut, ich verzeihe dir. Hör zu, deine Kollegin hier kann dir die Details später erklären, aber die Fußabdrücke sind unbrauchbar. Außerdem haben wir die Fingerabdrücke von sechzehn bisher unidentifizierten Personen gefunden, drei davon im Bereich der Fenster. Die DNA-Analyse läuft noch und ist nicht vor nächster Woche fertig.»
« Na toll. Hast du auch gute Neuigkeiten für mich?», seufzte Rick.
« Marquette wird heute Abend entlassen», sagte Latarrino.
« Das darf doch nicht wahr sein!»
« Und es kommt noch schlimmer.»
« Was soll das heißen?»
« In drei Stunden wird er mit einem privaten Krankentransport nach Chicago geflogen.» Am anderen Ende der Leitung blieb es still. Nur das leise Rauschen verriet, dass Rick noch nicht aufgelegt hatte. Julia und Lat blieben vor dem Graham Building stehen, um die Verbindung nicht zu verlieren. In einer Ecke vor ein paar Betonbänken und Blumentöpfen lagen Zigarettenkippen am Boden. Hier trafen sich täglich die Raucher, in den Pausen oder auf dem Weg zum und vom Gericht. Die Nichtraucher nannten die Ecke die Krebsstation. Jeden Tag, wenn Julia hier vorbeikam, waren mindestens ein Dutzend Süchtige versammelt, und für eine Gruppe von Todkranken schienen sie meistens bester Laune zu sein. Julia hatte seit dem College keine Zigarette mehr angerührt, doch plötzlich sehnte sie sich danach.
« Den Teufel wird er», sagte Rick schließlich.
« Ich schätze, der Staat Florida muss doch die Krankenhausrechnung übernehmen. Scheiß auf den schriftlichen Beschluss; wir haben genug. Nagel ihn fest, Lat.»

KAPITEL 19
    LATARRINO WARTETE, bis die Krankenschwester den Rollstuhl aus den Türen des Ryder Trauma Center herausgeschoben hatte, bevor er auf die kleine Gruppe zutrat.
« David Alain Marquette?», fragte er den Mann im Rollstuhl.
« Du lieber Himmel! Doch nicht hier!», rief ein älterer Herr und stellte sich schützend vor den Rollstuhl. Er sprach mit einem leichten Akzent, den Lat allerdings nicht einordnen konnte. Wahrscheinlich handelte es sich um Marquettes Vater, der es geschafft hatte, der Polizei von Miami seit seiner Ankunft vor ein paar Tagen erfolgreich aus dem Weg zu gehen. Eine gutaussehende ältere Frau stand neben dem Rollstuhl, wahrscheinlich Marquettes Mutter. Sie trug ein teures Kostüm und hatte das gepflegte silberweiße Haar zu einem straffen Chignon frisiert. Sie wirkte elegant und reserviert, aber auch verängstigt. Der Mann stellte sich schützend vor den Rollstuhl. Der Wagen eines privaten Krankentransportdienstes wartete vor dem Eingang. Die beiden Krankenpfleger, die sich genähert hatten, um Marquette in den Wagen zu helfen, blieben zögernd stehen. Steve Brill zeigte ihnen seine Dienstmarke. Er hatte zwar außerhalb von Coral Gables keinerlei Befugnis, aber das wusste abgesehen von Lat niemand.
« Mr. Marquette und seine Familie benötigen eure Hilfe nicht mehr, Jungs», sagte Brill. In diesem Moment führen drei Streifenwagen mit Blaulicht vor.
« Wie ihr seht, haben wir einen anderen Transport organisiert.»
« Sind Sie Alain Marquette?», fragte Lat den älteren Herrn.
« Fahren Sie zur Hölle!»
« Treten Sie von dem Rollstuhl zurück», forderte Brill den Mann auf.
« Ich bin Detective John Latarrino vom MiamiDade Police Department», sagte Lat.
« Sehen Sie denn nicht, dass er krank ist?», rief der Mann verzweifelt.
« Treten Sie zurück, Sir», wiederholte Brill, und Marquette senior kam seiner Aufforderung schließlich nach. Der Mann im Rollstuhl war blass, und seine hellgrauen Augen huschten unruhig umher. Ein Schlauch führte von seiner Nase zu einer Sauerstoffflasche an der Seite des Rollstuhls. An einem fahrbaren Ständer hingen Infusionsflaschen. Lat betrachtete Marquette ungerührt. Er konnte kein Mitleid aufbringen. Bilder vom Tatort schossen ihm durch den Kopf – Emmas kleiner gekrümmter Körper auf dem rosa Teppichboden hinter dem HelloKitty-Stuhl, wo sie Zuflucht gesucht hatte. Sein Leben lang würde er das zarte, angstverzerrte, geschwollene Gesicht nicht vergessen, die weitaufgerissenen blauen Augen, während die warme Morgensonne das Blutbad in goldenes Licht tauchte. Und das Gesicht dieses Mannes war das Letzte, was sie in ihrem kurzen Leben gesehen hatte. Vor ihm, der sie hätte beschützen müssen, war sie in panischer Angst davongelaufen, hatte sich versteckt. Lat nickte einem Polizisten zu, der den Platz der Krankenschwester hinter dem Rollstuhl einnahm. Auf der anderen Seite des Jackson Memorial

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