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Vater unser

Vater unser

Titel: Vater unser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jilliane Hoffman
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Konferenz in Atlanta. Ich glaube, er kommt erst morgen zurück.» Es war kurz vor fünf, und die Flure des Gerichtsgebäudes hatten sich bereits geleert. Plötzlich hatte sie wieder das unangenehme Gefühl im Magen. Lats Besuch war kein Zufall. Es hatte offensichtlich etwas mit dem Fall Marquette zu tun. Nach der Tatortbegehung am Montag hatte sie sich Hals über Kopf in den Powers-Fall gestürzt, um die Geister in ihrem Kopf wieder loszuwerden, doch der Detective hatte sie kalt erwischt. Hier war sie nicht dagegen gewappnet. Am Montag hatten die Erinnerungen sie eingeholt – lebhafte, schmerzhafte Erinnerungen, die sie vor langer Zeit verdrängt hatte –, aber damit würde sie zurechtkommen. Das musste sie. Das alles lag in der Vergangenheit, und es ließ sich nicht mehr ändern. Sie durfte nicht zulassen, dass sie wieder in Selbstmitleid versank oder nach Antworten suchte. Die Schatten von damals würden sie verschlingen. Julia wollte diesen Fall. Sie brauchte den Erfolg, wollte sich als Staatsanwältin einen Namen machen. Außerdem musste man sich den eigenen Ängsten stellen, oder nicht? War das nicht der Grund, aus dem missbrauchte Kinder später Schulpsychologen wurden und ehemals Leukämiekranke später Ärzte? Ein Seelenklempner hätte sicher erklären können, warum Julia heute hier war, warum sie tat, was sie tat, tagein, tagaus – gegen Drachen kämpfen, die immer wieder zum Leben erwachten. In den letzten Tagen hatte sie wieder ein wenig Distanz gewonnen. Und mit der Distanz war sie wieder zu der Überzeugung gelangt, dass sie weitermachen musste. Und wenn sie sich in diesem Fall profilieren wollte – und nebenbei die Vergangenheit hinter sich lassen –, war es wichtiger denn je, dass sie vorbereitet und selbstbewusst wirkte. Und sie wollte auf keinen Fall, dass Detective Latarrino immer, wenn ihr Name fiel, daran denken musste, wie sie mit weichen Knien über der Kloschüssel hing.
« Ja, Marisol hat mir gesagt, dass Rick unterwegs ist. Deswegen bin ich bei Ihnen im Büro vorbeigegangen. Ihre Sekretärin meinte, dass Sie eine Verhandlung haben.»
« Hatte ich. Sie ist vorbei.»
« Das sehe ich.» Lat drückte auf den Fahrstuhlknopf.
« Waren Sie hier, als –», begann Julia.
« Als Farley den Angeklagten freigesprochen hat? Ja. Ihre Beweisführung war gut, aber er hat Ihnen überhaupt nicht zugehört. Verstehen Sie mich nicht falsch», sagte er, während sie den Aufzug betraten, « aber ich glaube, er mag Sie nicht besonders.»
« Was Sie nicht sagen.»
« Nehmen Sie es nicht persönlich. Ich glaube, er hat generell ein Problem mit Frauen.»
« Das ist mir auch schon aufgefallen.»
« Ihr Opfer wollte nicht aussagen?»
« Nein. Also habe ich es ohne sie versucht. Und daran ist es wohl gescheitert.» Beide schwiegen für einen Augenblick, dann sagte Lat:
« Ich muss einiges mit Ihnen besprechen. Sie müssen ein paar Entscheidungen treffen.» Oje. Trotz ihrer neuerlichen Entschlossenheit war Julia sich nicht so sicher, ob sie in diesem Fall Entscheidungen treffen wollte. Schließlich war Rick erster Anwalt. Sie runzelte die Stirn.
« Haben Sie das mit Rick abgesprochen?»
« Ich erreiche ihn nicht. Ich habe eine Nachricht auf seinem Pager hinterlassen, aber bisher hat er nicht zurückgerufen. Sie sind doch noch die zweite Anwältin, oder?» Julia nickte.
« Dann können Sie auch Entscheidungen treffen.»
« Na gut», sagte sie langsam und nickte wieder.
« Worum geht es denn?»
« Um die ersten Ergebnisse der Laboruntersuchungen. Die Fußabdrücke auf dem Teppich – ein Paar stammte von dem Polizeibeamten, der als Erster am Tatort eintraf. Das andere Paar, tja – das ist nicht identifizierbar.»
« Was soll das heißen?»
« Die Abdrücke sind zu verschmiert für einen Vergleich. Greg Cowsert, unser Spezialist für Fußabdrücke und der Beste auf diesem Gebiet, schätzt die Schuhgröße auf sechsundvierzig – das würde zu Marquette passen. Aber Cowsert glaubt, dass der Täter OP-Schuhe oder etwas Ähnliches getragen hat, nur konnte er keine Fasern in den Abdrücken rinden, die diesen Verdacht bestätigen. Immerhin würde das zumindest die Verformungen erklären.»
« Am Tatort wurden keine blutigen OP-Schuhe gefunden, richtig? Ich schätze, das war nicht die gute Nachricht», sagte Julia und verließ mit Lat den Aufzug.
« Keine Sorge, die kommt jetzt.» Lat versuchte ein Lächeln.
« Eine OP-Schwester, die seit ein paar Jahren mit Marquette zusammenarbeitet, hat seine Stimme auf dem

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