Vater unser
im Gebäude neben dem Trauma Center gab es eine Station für Strafgefangene, die medizinische Betreuung benötigten, und genau dorthin würden sie Marquette bringen.
« Ich will auf der Stelle mit Mr. Levenson sprechen!», schrie der ältere Mann.
« Beruhige dich doch, Alain», sagte seine Frau beschwichtigend.
« Ich will mich nicht beruhigen, sondern mit dem Anwalt meines Sohnes sprechen!»
« Sein Anwalt wird ihm leider nicht helfen können», warf Brill ein. In diesem Augenblick bog ein Übertragungswagen von Channel 7 mit hohem Tempo in die Auffahrt des Krankenhauses ein und blieb hinter dem letzten Streifenwagen stehen. Die Türen öffneten sich, und Teddy Brennan sprang heraus, das Mikrophon in der Hand und seinen Kameramann im Schlepptau.
« Dr. Marquette!», rief er, während er auf die kleine Gruppe zugelaufen kam.
« Haben Sie Ihre Familie umgebracht? Warum haben Sie es getan? Wie fühlen Sie sich jetzt? Oder waren Sie es gar nicht?»
« Verdammt nochmal!», schrie Lat und winkte die Polizisten heran.
« Schafft mir diesen Kerl vom Hals!» Nur eine Handvoll Leute vom MDPD, von der Staatsanwaltschaft und vom Coral Gables Police Department wussten von Marquettes Verhaftung, und Lat hatte ausdrücklich verboten, Informationen an die Presse weiterzugeben. Nicht einmal im Polizeifunk war darüber gesprochen worden, damit kein Unbefugter etwas aufschnappen konnte. Lat ärgerte sich, dass es irgendwo eine undichte Stelle gegeben hatte. Wie aufs Stichwort fuhr nun auch noch ein Übertragungswagen von Channel 6 vor.
« Angeblich hat er schon ein Geständnis abgelegt – stimmt das?» Brennan ignorierte die Polizisten einfach und rückte näher, um der Konkurrenz zuvorzukommen.
« Wurde Jennifer Marquette vor ihrer Ermordung vergewaltigt?», wollte der Neuankömmling wissen.
« Führt MiamiDade jetzt die Ermittlungen?»
« Plädieren Sie auf die Todesstrafe?»
« Wo ist der Haftbefehl? Ich will verdammt nochmal den Haftbefehl sehen!», brüllte Marquette senior Lat wütend an und stellte sich wieder vor den Rollstuhl. Ein weiterer Übertragungswagen bremste am Bordstein. Ein weiter Reporter lief herbei.
« Treten Sie zurück, Sir», befahl Brill und griff nach seiner Elektroschockpistole.
« Treten Sie zurück, habe ich gesagt! Das gilt auch für dich, Geraldo!», rief er Brennan zu.
« Unser Sohn ist krank. Bitte, lassen Sie ihn doch in Ruhe», flehte die Frau. Ihr Gesicht war aschfahl geworden.
« Schon mal was von Pressefreiheit gehört, Detective? Wir haben das Recht, hier zu sein!», rief Brennan und richtete sein Mikrophon auf die Frau. Inzwischen war er Brili so nahe, dass es nur eine Frage der Zeit sein würde, bis dieser handgreiflich wurde. Lat beschloss, die Sache zu beschleunigen.
« David Marquette, hiermit verhafte ich Sie wegen Mordes an Jennifer, Emma, Daniel und Sophie Marquette», erklärte er laut.
« Sie haben das Recht zu schweigen. Alles, was Sie sagen, kann vor Gericht gegen Sie verwendet werden. Sie haben das Recht auf einen Anwalt, aber das wissen Sie ja bereits.» Brili und dem Polizisten hinter dem Rollstuhl sagte er leiser:
« Gehen wir. Nichts wie weg von hier.» Das war der Moment, in dem die ältere Frau zusammenbrach und mit dem Gesicht auf dem Asphalt aufschlug, worauf Alain Marquette einen Tobsuchtsanfall bekam und vor dem Jackson Memorial vor laufenden Kameras die Hölle losbrach.
KAPITEL 20
D AS WÜTENDE Geschrei aus Gerichtssaal 5.3 hallte durch den gesamten Flur der fünften Etage. Mel Levenson hatte das Mondgesicht von Luca Brasi, dem Vollstrecker des Paten, und wahrscheinlich hatte er auch dessen Persönlichkeit. Levenson war ein großer, schwerfälliger Mann mit Doppelkinn und äußerst kräftiger Stimme. Und er war zornig, was zur Folge hatte, dass er sich weder bei der Lautstärke noch beim Inhalt seiner Vorwürfe zurückhielt.
« Das war ein Hinterhalt, Euer Ehren!», beschwerte er sich bei Richter Irving Katz.
« Anstatt in meiner Kanzlei anzurufen und die Auslieferung meines Mandanten mit mir abzusprechen, wie es üblich ist» – er zeigte anklagend mit dem Wurstfinger auf Rick Bellido, John Latarrino und den mürrisch dreinblickenden Steve Brill –, « stellen ihm die Police Departments von MiamiDade und Coral Gables eine Falle – mit dem Segen der Staatsanwaltschaft, wie ich vermute. Sie nehmen meinen Mandanten fest, während er hilflos im Rollstuhl sitzt. Noch dazu vor den Augen seiner betagten Eltern. Und ohne jed— wede Rücksicht auf das verheerende
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