Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vaterland

Vaterland

Titel: Vaterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
Vom Netzwerk:
plötzlich besitzt die Leere eine Geometrie, wird der Vermessung zugänglich, ist zu einem festen Gegenstand geworden. Natürlich könne man diesen festen Gegenstand ableugnen, oder in Frage stellen, oder einfach nicht beachten. Aber jede dieser Rea k tionen sei per definitionem eben eine Re-Aktion, die An t wort auf etwas, das existiere. »Manche Leute werden es nicht glauben wollen - sie werden es nicht glauben wollen, egal, wie viele Beweise wir haben. Aber ich glaube, wir haben hier genug, um Kennedy zu stoppen. Kein Gipfel t reffen. Keine Wiederwahl. Keine Entspannung. Und in fünf Jahren oder in fünfzig wird diese Gesellschaft ause i nanderfallen.
    Du kannst auf einem Massengrab nichts aufbauen. Me n schen sind besser - sie müssen einfach besser sein -, daran glaube ich - du nicht auch?« Er antwortete nicht.

    Er lag wach und sah im Berliner Himmel ein weiteres Morgendämmern. Ein vertrautes graues Gesicht in der Dachluke, ein alte r Widersacher.
    »Ihr Name?«
    »Magda Voß.«
    »Geboren?«
    »Am 25. Oktober 1939.«
    »Wo?«
    »In Berlin.«
    »Beruf?«
    »Ich lebe bei meinen Eltern, in Berlin.«
    »Wohin fahren Sie?«
    »Nach Waldshut am Rhein. Um meinen Verlobten zu treffen.«
    »Name?«
    »Paul Hahn.«
    »Was ist der Zweck Ihres Besuchs in der Schweiz?«
    »Die Hochzeit einer Freundin.«
    »Wo?«
    »In Zürich.«
    »Was ist das?«
    »Ein Hochzeitsgeschenk. Ein Fotoalbum. Oder eine B i bel? Oder ein Buch? Oder ein Hackbrett?« Sie probierte die Antworten an ih m aus.
    »Hackbrett - sehr gut. Genau die Art von Geschenk, das zu übergeben ein Mädchen wie Magda wirklich 800 Kil o meter fahren würde.«
    März war im Zimmer herumgelaufen. Jetzt blieb er st e hen und zeigte auf das Päckchen in Charlies Schoß.
    »Bitte öffnen Sie es.«
    Sie dachte einen Augenblick lang nach. »Was soll ich darauf antworten?«
    »Da gibt es nichts zu antworten.«
    »Scheußlich.« Sie nahm eine Zigarette heraus und zü n dete sie an.
    »Oha, sieh dir das mal an. Meine Hände zittern.«
    Es war fast sieben. »Wir müssen gehn.«

    Das Hotel begann zu erwachen. Als sie an den Reihen dünner Türen vorbeigingen, hörten sie Wasser platschen, ein Radio, Kinde r lachen. Irgendwo auf dem zweiten Stock schnarchte ein Mann unbeeinflußt weiter.
    Sie hatten das Päckchen vorsichtig behandelt, auf Armes Länge, so als handele es sich um Uran. Sie hatte es mitten in ihrem Koffe r versteckt, in ihren Kleidern vergraben. März trug ihn die Treppen hinunter, quer durch die leere Empfangshalle und durch den enge n Notausgang auf die Rückseite des Hotels. Sie trug ein dunkelblaues Kostüm und hatte ihre Haare unter einem Schal verborgen.
    Der gemietete Opel stand neben seinem Volkswagen. Aus den Küchen kamen Rufe, der Geruch nach frischem Kaffee, das Zischen vo n Pfannen.
    »Wenn du das Bellevue verläßt, halt dich links. Die Straße folgt dem Tal. Dann kannst du die Brücke nicht ve r fehlen.«
    »Das hast du mir doch schon gesagt.«
    »Versuch herauszufinden, auf welcher Sicherheitsstufe sie sind, ehe du dich in Gefahr begibst. Wenn es so au s sieht, als ob sie alle s durchsuchen, dann dreh ab und ve r such, es irgendwo zu verstecken. Wälder, Gräben, Sche u nen - irgendwo, woran du dich erinner n kannst, eine Stelle, wohin jemand zurückkommen und es wiederfinden kann. Dann fahr raus. Versprich mir das.«
    »Ich versprech es dir.«
    »Es gibt täglich einen Flug der Swissair von Zürich nach New York. Er geht um zwei Uhr ab.«
    »Um zwei. Ich weiß. Das hast du mir schon zweimal g e sagt.«
    Er trat einen Schritt auf sie zu, um sie in den Arm zu nehmen, aber sie stieß ihn zurück. »Ich sag dir nicht auf Wiedersehn. Nicht hier.
    Ich seh dich heut abend. Ich seh dich.«
    Es gab einen Tiefpunkt, als der Opel sich weigerte a n zuspringen. Sie zog den Choke und versuchte es erneut, und diesmal sprang de r Motor an. Sie setzte rückwärts aus der Parklücke und weigerte sich immer noch, ihn anzus e hen. Er erhaschte noch einen letzten Blic k auf ihr Profil - und dann war sie fort und hinterließ eine Spur aus blauwe i ßem Qualm, der in der kalten Morgenluft hing.
    März saß allein in dem leeren Zimmer auf der Kante des Bettes und hielt ihr Kissen im Arm. Er wartete eine ganze Stunde, ehe er sein e Uniform anzog. Er stand vor dem Ankleidespiegel und knöpfte sich die schwarze Uniforml a cke zu. Das würde das letzte Mal sein,
    daß er sie anhatte, so oder so.
    > Wir werden die Geschichte verändern ...<
    Er setzte die Mütze auf und

Weitere Kostenlose Bücher