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Vaterland

Vaterland

Titel: Vaterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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richtete sie aus. Dann nahm er seine dreißig Blätter, sein Notizbuch und Bühlers T a schenkalender, faltet e alles zusammen, schlug es in den übrigen Bogen braunes Packpapier ein und steckte es in seine Innentasche.
    Konnte man die Geschichte so einfach ändern? fragte er sich.
    Gewiß, nach seiner Erfahrung waren Geheimnisse Sä u ren - waren sie einmal ausgegossen, dann fraßen sie sich durch ein e Präsidentschaft, warum nicht durch einen Staat? Aber von Geschichte zu reden - er schüttelte den Kopf über seine Uberlegungen -,
    Geschichte lag hinter ihm. Fahnder verwandelten Ve r dachtsmomente in Beweise. Das hatte er getan. Die G e schichte würde er ih r überlassen.

    Er trug Luthers Tasche ins Badezimmer und warf all den Abfall hinein, den Charlie zurückgelassen hatte - die leeren Flaschen, di e Gummihandschuhe, die Schale und den Lö f fel, die Bürsten. Dasselbe machte er im Schlafzimmer. Es war e i genartig, wie sehr sie diese n Raum erfüllt hatte, wie leer er ohne sie war. Er sah auf seine Uhr. 8.30 Uhr. Inzw i schen sollte sie schon aus Berlin raus sein, vielleich t schon so weit südlich wie Wittenberg.
    Am Empfang lungerte der Geschäftsmann herum.
    »Guten Morgen, Herr Sturmbannführer. Ist die Befr a gung beendet?«
    »Ist sie, Herr Brecker. Ich danke Ihnen für Ihre patriot i sche Unterstützung.«
    »Es war mir ein Vergnügen« Brecker deutete eine kleine Verbeugung an. Er schlang seine fetten weißen Hände u m einander, als ob er Ö l einreibe. »Und falls der Herr Stur m bannführer jemals den Wunsch verspüren sollte, weitere Befragungen vorz u nehmen ...«
    Seine buschigen Augenbrauen tanzten. »Vielleicht wäre ich sogar imstande, ihn mit einer oder zwei Verdächtigen zu versorgen ...«
    März lächelte. »Ich wünsche Ihnen einen guten Tag, Herr Brecker.«
    »Ich Ihnen, Herr Sturmbannführer.«

    Er saß auf dem vorderen Beifahrersitz des Volkswagens und dachte einen Augenblick lang nach. Der Ersatzreifen wäre die ideale Stelle,
    aber dazu hatte er keine Zeit. Die Plastikverkleidungen der Türen waren zu gut befestigt. Er reichte hinab unter das Trittbrett, bis sein e Finger eine glatte Stelle ertasteten. Die würde seinen Zwecken dienen. Er riß zwei Längen vom Klebeband ab und heftete das Päckche n an das kalte M e tall.
    Dann ließ er die Rolle Klebeband in Luthers Tasche fa l len und warf ihn in einen der Abfalleimer vor den Küchen. Das braune Lede r sah, wie es da so auf der Oberfläche lag, zu fehl am Platze aus.
    Er fand einen abgebrochenen Besenstiel und grub ihm damit ein Grab und begrub es wenigstens unter dem Ka f feesatz, den stinkende n Fischköpfen, den Fettfetzen und dem von Maden durc h setzten Schweinefleisch.

ZWEI
    Gelbe Schilder mit dem einzigen Wort Fernverkehr wiesen den Weg heraus aus Berlin, zu der Autobahnren n strecke, die die Stadt umgab. März hatte die nach Süden führende Fahrbahn fast für sich allein - die wenigen Autos und Bu s se, die so früh an diesem Sonntagmorgen unterwegs wa r en, fuhren in die andere Richtung. Er fuhr an der ä u ßersten Drahtbewehrung des Tempelhofer Feldes vorbei und b e fand sich dann plötzlich in den Vorstädten, in denen die breite Straße durch trübselige Strecken voller Geschäfte und Wohnhäuser aus roten Ziegeln führte und von kränkl i chen Bäumen mit schwarzen Stämmen gesäumt war. Zu seiner Linken ein Krankenhaus; zu seiner Rechten eine Kirche außer Gebrauch, mit Brettern zugenagelt und mit Parteisprüchen beschmiert. Marienfelde, sagten die Schi l der. Buckow. Lichtenrade.
    An einer Verkehrsampel hielt er an. Die Straße nach S ü den lag offen vor ihm - zum Rhein, nach Zürich, nach Amerika ... Hinter ihm hupte jemand. Die Ampel war u m gesprungen. Er stellte den Blinker an, bog von der Haup t straße ab und hatte sich bald in dem Netz rechtwinkliger Straßen der Wohnstadt verloren.
    In den frühen fünfzigern hatte man die Straßen in der Nachglut des Sieges nach Generalen benannt: Studentstr a ße, Reichenaustraße, Manteuffelstraße. März fand sich nie richtig zurecht. Ging es rechts von der Model in die Die t rich? Oder links in die Paulus und dann in die Die t rich? Er fuhr langsam an den Reihen identischer Einfam i lienhäuser entlang, bis er es schließlich erkannte. Er parkte an der ve r trauten Stelle und hätte fast gehupt, als er sich erinnerte, daß dies der dritte Sonntag im Monat war und nicht der erste - und deshalb nicht seiner - und daß auf alle Fälle se i ne Besuchsgenehmigung

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