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Vaterland

Vaterland

Titel: Vaterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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ein Kommand o stand. Plastikmodelle von Luftwaffendüsenjägern aus Nachbausätzen hingen a n unsichtbarer Angelschnur von der Decke und kreisten herum. An einer Wand eine Karte der Ostfront mit farbigen Nadeln, die di e Stellungen der Armeen zeigten. An einer anderen eine Gruppenaufnahme von Paules Pimpfzug - nackte Knie und feierliche Gesic h ter,
    vor einer Zementwand fotografiert.
    Während er ihn mit sich zog, gab Paule einen laufenden Kommentar mit Toneffekten ab. »Das hier sind unsere Jets - rrrrroo - uuuuu! und das hier die roten Flak-Stellungen. Pouuh! Pouuh!«
    Striche von gelber Kreide schossen himmelwärts. »Jetzt geben wir's ihnen. Feuer!« Kleine schwarze Ameiseneier regneten zu Bode n und ließen zerfetzte Feuerkronen au f blühen. »Die Kommies lassen ihre alten Jäger aufsteigen, aber die sind für unsere kein Problem ...«
    So ging das noch fünf Minuten lang weiter, Handlung häufte sich auf Handlung.
    Plötzlich ließ Paule, von seiner eigenen Schöpfung gel a ngweilt, die Hände fallen und tauchte unters Bett. Er zog einen Stapel Illustriert e aus der Kriegszeit hervor.
    »Wie bist du da drangekommen?«
    »Onkel Erich hat sie mir gegeben. Er hat sie gesammelt«
    Paule warf sich aufs Bett und begann, die Seiten umzu b lättern.
    »Was steht hier in der Unterschrift, Papa?« Er gab März die Illustrierte und setzte sich nahe zu ihm und hielt seinen Arm fest.
    »Der Pionier hat sich seinen Weg bis zu den Drahtve r hauen gebahnt, die das Maschinengewehrnest schützen«, las März vor.
    »,Ein paar Flammenstöße und der tödliche Strom bre n nenden Öls hat den Feind ausgeschaltet. Die Flammenwe r fer erfordern furchtlos e Männer mit Nerven aus Stahl.«
    »Und in der hier?«
    Das war nicht das Lebewohl, das März sich vorgestellt hatte, aber wenn es das war, was der Junge sich wünschte ... Er machte weiter:
    »,Ich will für das neue Europa kämpfen: so sagten drei Brüder aus Kopenhagen, mit ihrem Kompaniechef im SS-Ausbildungslager i m Oberelsaß. Sie haben alle Bedingu n gen im Hinblick auf Rasse und Gesundheit erfüllt und g e nießen jetzt das männliche Leben an de r freien Luft im L a ger im Walde.«
    »Und das hier?«
    Er lächelte. »Aber Paule. Du bist zehn Jahre alt. Du kannst das doch leicht selbst lesen.«
    »ich will aber, daß du es mir vorliest. Hier ist ein Bild von einem U-Boot wie deinem. Was steht hier?«
    Er hörte auf zu lächeln und legte die Illustrierte hin. E t was war merkwürdig hier. Dann wurde es ihm klar: die Stille. Seit einer Reihe vo n Minuten schon hatte sich dra u ßen auf der Straße nichts mehr ereignet - kein Auto, keine Schritte, keine Stimmen. Selbst de r Rasenmäher hatte au f gehört. Er sah, wie Paules Augen zum Fenster schielten, und da begriff er.
    Irgendwo im Haus: ein Klirren von Glas. März wollte zur Tür, aber der Junge war zu schnell für ihn - er warf sich vom Bett, umfing sein e Beine, und rollte sich um seines Vaters Füße zu einem embryonalen Ball zusammen, die Parodie kindlichen Fl e hens.
    »Bitte  geh nicht, Papa., sagte er, »bitte. .«. März' Finger schlossen sich um die Türklinke, aber er konnte sich nicht bewegen. Er war wi e vor Anker, wie im Sumpf. Das habe ich doch schon mal geträumt, dachte er. Hinter ihnen barst die Scheibe nach innen un d übersäte ihre Rücken mit Gla s splittern - jetzt füllten wirkliche Uniformen mit wir k lichen Waffen das Zimmer -, und plötzlich lag März au f dem Rücken und starrte empor zu den kleinen Kriegsflu g zeugen aus Plastik, die wie verrückt am Ende ihrer unsic h tbaren Schnür e hüpften und kreisten. Er konnte Paules Stimme hören: »Es wird alles gut werden, Papa. Sie helfen dir. Sie machen dich gesund. Dan n kannst du wieder zu uns ko m men und mit un s leben. Das haben sie versprochen ...«

DREI
    Seine Hände waren ihm mit Handschellen eng auf den Rücken geschlossen, die Gelenke nach außen. Zwei SS-Männer lehnten ihn gegen die Wand, gegen die Karte der Ostfront, und Globus stand vor ihm. Gott sei Dank ha t te man Paule rasch fortgebracht. »Ich habe lange auf diesen Augenblick gewartet«, sagte Globus, »wie ein Bräutigam auf seine Braut wartet«, und schlug März in den Magen, hart. März klappte zusammen, fiel auf die Knie, riß dabei die Karte mit all ihren kleinen Nadeln mit sich, glaubte, er werde nie wieder atmen können. Dann packte Globus ihm ins Haar und riß ihn hoch, und sein Körper versuchte, zu gleicher Zeit zu erbrechen und Luft einzusaugen, und Gl o bus schlug

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