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Vaterland

Vaterland

Titel: Vaterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Roten an den Fronten des Ural mit ihren unaussprechlichen Schlachtfeldern und Offensiven - Oktjabrskoje, Polunoc h noje, Alapajewsk ...
    März blickte in die Gesichter um ihn herum. Erzwung e ne gute Laune, Resignation, Vorahnungen. Menschen mit Brüdern und Söhnen und Männern im Osten. Sie starrten auf die Bildschirme. »Deutsche, bereiten Sie sich auf eine wichtige Erklärung vor!« Was würde es jetzt sein?
    Die Kantine war fast voll. März wurde gegen eine Säule gepreßt.
    Er konnte einige Meter weiter Max Jäger sehen, wie er mit einer vollbusigen Sekretärin aus VA(t), der Rechtsa b teilung, herumscherzte. Max erblickte ihn über ihre Schu l ter und grinste ihm zu.
    Ein Trommelwirbel. Der Raum war still. Ein Nachric h tensprecher sagte: »Wir schalten jetzt um ins Außenmini s terium in Berlin« Ein Bronzerelief glitzerte in den Fernse h scheinwerfern. Ein Nazi-Adler, der die Erdkugel in se i nen Fängen umkrallte, umgab ein Kranz von Feuerwerksstra h len, wie die Zeichnung eines Kindes vom Sonnenau f gang. Davor stand mit dicken schwarzen Augenbrauen und bla u schattigem Kinn der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Drexler. März unterdrückte ein Lachen: Man sollte meinen, daß Goebbels in ganz Großdeutschland einen Sprecher hä t te auftreibenkönnen,der nicht wie ein verurteilter Verbr e cher aussah. »Meine Damen und Herren, ich habe für Sie eine kurze Erklärung vom Reichsministerium des Auswä r tigen.« Er wandte sich an eine Zuhörerschaft von Journali s ten, die nicht ins Blickfeld kamen. Er setzte eine Brille auf und begann zu lesen. »In Übereinstimmung mit dem alten und wohlüberlegten Wunsch des Führers und des Volkes des Großdeutschen Reiches, mit den Staaten der Erde in Frieden und Sicherheit zu leben, und nach ausfüh r lichen Konsultationen mit allen unseren Verbündeten in der Eur o päischen Gemeinschaft hat das Reichsministerium für Auswärtige Angelegenheiten im Namen des Führers heute eine Einladung an den Präsidenten der Vereinigten Staaten vo n Amerika ausgesprochen, das Großdeutsche Reich zu persönlichen Gesprächen zu besuchen, um ein tieferes Ve r ständnis zwischen unseren beiden Völkern zu fördern. Di e se Einladung wurde angenommen. Die amerikanische A d ministr ation hat uns heute morgen wis sen lassen, daß Herr Kennedy beabsichtigt, den Führer im September in Berlin zu treffen. Heil Hitler! Lang lebe Deutschland!« Das Bild verblaßte ins Schwarze, und dann kündigte ein weit e rer Trommelwirbel die Nationalhymne an. Die Frauen und Männer in der Kantine begannen zu singen. März stellte sie sich in diesem Augenblick in ganz Deutschland vor - in Werften und Stahlwerken, in Büros und Schulen -, wie die harten Stimmen und die hohen zusammenschmolzen in ein einziges großes Zustimmungsgebell, das zum Himmel e m porstieg:
    Deutschland, Deutschland über alles!
    Über alles in der Welt!
    Seine Lippen bewegten sich übereinstimmend mit denen der anderen, aber es kam kein Laut heraus.
    »Noch mehr Scheiß-Arbeit für uns«, sagte Jäger. Sie waren wieder im Büro. Er hatte die Füße auf den Schrei b tisch gelegt und paffte an einer Zigarre. »Wenn du dir ei n bildest, der Geburtstag des Führers sei ein Sicherheitsal b traum - vergiß es. Kannst du dir vorstellen, was los ist, wenn auch noch der Kennedy kommt?«
    März lächelte. »Mir scheint, Max, dir entgeht die hist o rische Dimension des Ereignisses.«
    »Scheiß auf die historische Dimension des Ereignisses. Ich denke an meinen Schlaf. Die Bomben gehen jetzt schon hoch wie die Feuerkracher. Sieh dir das an.«
    Jäger schwang die Beine vom Tisch und wühlte in e i nem Haufen Aktendeckel herum. »Während du an der H a vel herumgespielt hast, mußten einige von uns richtig a r beiten, Er nahm einen Umschlag und schüttelte den Inhalt heraus.
    PBT. Persönlicher Besitz von Toten. Aus dem Häufchen Papiere zog er zwei Pässe hervor und gab sie März. Einer gehörte einem SS-Offizier, Paul Hahn; der andere einer jungen Frau, Magda Voß.
    Jäger sagte: »Hübsches Ding, oder? Sie hatten gerade geheiratet. Hatten die Hochzeitsfeier in Spandau verlassen. Wollten in die Flitterwochen. Er fährt. Sie biegen in die Nauener Straße ein. Ein LKW rollt vor sie. N Kerl mit nein Gewehr springt hinten raus. Unser Mann bekommts mit der Angst. Geht in den Rückwärtsgang. Wumm! Den Bordstein rauf und krach in neu Laternenpfahl. Während er versucht, den ersten Gang zu finden - peng! - Schuß in den Kopf. Abgang Bräutigam.

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