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Vaterland

Vaterland

Titel: Vaterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Agent provocateur oder Safekn a cker. Gegenwärtig betrieb er eine Uhrenreparaturwerkstatt im Wedding und schwor, er bleibe absolut sauber: Eine Vers i cherung der Unschuld, die schwer zu glauben war, wenn man ihm jetzt zusah. Er hatte das Stethoskop an die Safetür gepreßt und drehte das Ziffernrad jeweils um eine Stelle weiter. Seine Augen waren geschlossen, während er dem Klicken lauschte, mit dem die Zuhaltungen des Schlosses in ihre Öffnungen fielen. Los doch, Willi. März rieb sich die Hände. Seine Finger waren vor Spannung taub. »O Gott«, sagte Jäger leise. »Ich hoffe, du weißt, was du tust.« »Ich erklärs dir später.«
    »Nein danke. Ich hab dir doch gesagt: ich will nichts wissen«
    Stiefel streckte sich und stieß einen langen Seufzer aus. »Eins«, sagte er. Eins war die erste Ziffer der Kombination. Wie Stiefel blickte auch Jäger immer wieder zu der Frau hin. Sie saß bescheiden auf einem der vergoldeten Stühle, die Hände im Schoß gefaltet. »Eine Ausländerin, um Go t tes willen!« »Sechs.«
    So ging das weiter, alle paar Minuten eine weitere Zi f fer, bis um 11.35 Uhr Stiefel zu März sagte: »Der Besitzer: wann ist er geboren?« »Warum?«
    »Das würde Zeit sparen. Ich glaube, er hat das Ding auf sein Geburtsdatum eingestellt. Bisher hab ich eins-sechs-eins-eins-eins-neun. Der 16. im 11.10 ...«
    März sah in seine Notizen aus Stuckarts Eintrag im Wer ist's? »1902. «
    »Null-zwei.« Stiefel versuchte die Kombination, dann lächelte er. »Es ist gewöhnlich der Geburtstag des Besi t zers«, sagte er, »oder Führers Geburtstag oder der Tag der Nationalen Wiedergeburt.« Er zog die Tür auf.
    Der Safe war klein: ein 15-Zentimeter-Kubus, der weder Banknoten noch Juwelen enthielt, nur Papiere - zumeist alte Papiere. März türmte sie auf den Tisch und begann sie durchzusehen. »Ich möchte jetzt gehen, Herr Sturmban n führer.«
    März achtete nicht auf ihn. Mit einem roten Band ve r schnürt waren die Besitzurkunden für eine Liegenschaft in Wiesbaden - dem Anschein nach das Familienhaus. Dann gab es Aktien. Hoesch, Siemens, Thyssen: die Gesellscha f ten gehörten zum Standard, aber die investierten Summen sahen astronomisch aus. Versicherungspapiere. Eine me n schliche Regung. eine Fotografie von Maria D y marski, mit dem süßlichen Lächeln der Fünfziger.
    Plötzlich schrie Jäger vom Fenster aus eine Warnung. »Da kommen sie, du verdammter verfluchter Narr!« Ein grauer BMW fuhr schnell um den Platz, gefolgt von einem Armee-Lastwagen. Die Fahrzeuge schwenkten vor dem Haus in Haltepositionen, die die Straße blockierten. Ein Mann in Ledermantel mit Gürtel sprang aus dem Wagen. Die Heckklappe des LKWs wurde herabgeklappt, und SS-Männer mit automatischen Gewehren begannen herau s zuspringen. »l.os doch! Los doch!« schrie Jäger. Er b e gann, Charlie und Stiefel zur Tür zu stoßen.
    Mit zitternden Fingern arbeitete März sich durch die restlichen Papiere. Ein blauer Umschlag, ohne Adresse. Etwas Schweres darin. Die Lasche des Umschlags war auf. Er sah einen Briefkopf in Kupferstich - Zaugg & Cie, Ba n kiers - und stopfte ihn in seine Tasche. An der Tür unten begann es, in langen und drängenden Tönen zu summen. »Die wissen, daß wir hier oben sind!« Jäger sagte: »Und was jetzt?« Stiefel war grau geworden. Die Frau stand b e wegungslos da. Sie schien nicht zu begreifen, was vor sich ging.
    »Der Keller«, schrie März. »Wir könnten ihnen gerade noch entwischen. Holt den Aufzug.«
    Die anderen drei rannten in den Korridor. Er begann die Papiere wieder in den Safe zu stopfen, warf ihn zu, drehte das Rad, stieß de n Spiegel wieder an seinen Platz. Keine Zeit mehr, noch etwas mit dem gebrochenen Siegel an der Tür zu machen. Sie hielten de n Aufzug für ihn auf. Er quetschte sich hinein, und sie b e gannen ihren Abstieg.
    Dritter Stock, zweiter Stock ...
    März betete, daß er nicht im Erdgeschoß anhalte. Er hielt nicht.
    Er öffnete sich in.den leeren Keller. Über ihren Köpfen konnten sie die Hacken der Sturmtruppler auf dem Marmor hören.
    »Hier entlang!« Er führte sie in den Luftschutzraum. Das Gitter der Belüftung stand da, wo er es gelassen hatte, gegen die Maue r gelehnt.
    Stiefel brauchte man nichts zu sagen. Er rannte zu dem Luftschacht, hievte seinen Koffer über den Kopf und warf ihn hinein.
    Er griff nach der Ziegelmauer und versuchte, sich hi n terherzuziehen, seine Füße kratzten nach einem festen A n satz an der glatte n Mauer. Er schrie über die

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