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Vaterland

Vaterland

Titel: Vaterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Schulter: »Helft mir doch!. März und Jäger schnappten sich seine Beine und hoben ihn hoch. Der klein e Mann schlängelte sich mit dem Kopf voran in das Loch und war verschwu n den.
    Sie kamen näher - das Dröhnen und Kratzen der Stiefel auf Beton. Die SS hatte den Eingang zum Keller gefu n den. Ein Mann rief etwas.
    März zu Charlie: »Jetzt Sie.«
    »Ich sag Ihnen was«, sagte sie und zeigte auf Jäger. »Der schafft es nie.«
    Jägers Hände fuhren an seine Taille. Es stimmte. Er war zu dick.
    »Ich bleib hier. Ich denk mir was aus. Ihr zwei haut ab.«
    »Nein.« Das wurde zur Farce. März zog den Umschlag aus seiner Tasche und preßte ihn Charlie in die Hand. »Nehmen Sie das. Wi r könnten durchsucht werden.«
    »Und Sie?« Sie hielt ihre blöden Schuhe in der einen Hand und stieg schon auf den Stuhl.
    »Warten Sie, bis Sie von mir hören. Erzählen Sie ni e mandem was.« Er schnappte sie sich, schloß die Hände gerade unter ihren Knien,
    und warf sie. Sie war so leicht, er hätte weinen können.
    Die SS war im Keller. Entlang den Durchgang - das Krachen aufgeworfener Türen.
    März schwang das Gitter zurück an seinen Platz und trat den Stuhl fort.

TEIL III
    DONNERSTAG, 16. APRIL 1964
    Wenn der Nationalsozialismus längere Zeit geherrscht hat, 
    wird man sich etwas anderes gar nicht mehr denken kö n nen. 
    Auf die Dauer vermögen Nationalsozialismus und Kirche nicht nebeneinander zu bestehen.
    ADOLF HITLER, 11./12. Juli 1941

EINS
    Der graue BMW fuhr in südlicher Richtung durch die Saa r land-Straße,vorüber an den schlafenden Hotels und den verlassenen Geschäften im Zentrum Berlins. An der dun k len Masse des Museums für Völkerkunde bog er nach links ein in die Prinz-Albrecht - Straß e auf das Hauptquartier der Gestapo zu.
    Wie bei allem anderen, so gab es auch bei den Diens t wagen eine Hierarchie. Die Orpo steckte in winzigen Opeln. Die Kripo hatte Volkswagen - die viertürige Vers i on des ursprünglichen KdF-Wagens, des rundrückigen Modells für die Arbeiter, das zu Millionen von den Aut o werken Fallersleben hergestellt wurde. Die Gestapo aber war schicker. Sie fuhr den BMW 18oo - einen düsteren Kasten mit einem grollenden, aufgemotzten Motor und stumpfgrauer Karosserie.
    Während er im Fond neben Max Jäger saß, hielt März den Blick auf den Mann gerichtet, der sie verhaftet hatte, den Befehlshaber des Sturmtrupps auf Stuckarts Wohnung. Als man sie aus dem Keller hinauf in die Eingangshalle geführt hatte, hatte er sie mit einem makellosen Führe r gruß gegrüßt. »Sturmbannführer Karl Krebs, Gestapo!« Das ha t te März nichts gesagt. Erst jetzt im BMW erkannte er ihn am Profil. Krebs war einer der beiden SS-Offiziere, die zusammen mit Globus in Bühlers Villa waren. Er war u n gefährdreißig Jahre alt, hatte ein eckiges, intelligentes G e sicht und hätte ohne Uniform so ziemlich alles sein können - Rechtsanwalt, Bankier, Eugeniker, Henker. So war das heutzutage mit jungen Männern seines Alters. Sie liefen vom Fließband: Pimpf, Hitlerjugend, Arbeitsdienst und Kraftlurch-Freude. Sie hatten dieselben Reden gehört, di e selben Schlagworte gelesen, im Rahmen der Winterhilfe denselben Eintopf gegessen. Sie waren die Arbeitspferde des Regimes, sie hatten keine andere Autorität als die Pa r tei kennengelernt, und sie waren so zuverlässig und alltä g lich wie die Volkswagen der Kripo.
    Der Wagen hielt an, und fast im gleichen Augenblick stand Krebs auf dem Pflaster und öffnete ihnen die Tür. »Hier entlang, meine Herren. Bitte.«
    März stemmte sich aus dem Wagen und blickte die Str a ße hinab.
    Krebs mochte so höflich wie ein Pfadfinder sein, aber zehn Meter zurück öffneten sich die Türen eines zweiten BMW, noch ehe er stand, und heraus kamen bewaffnete Männer in Zivil. So war es schon, seit man sie am Fritz-Todt-Platz entdeckt hatte. Keine Gewehrkolben in den Bauch, keine Flüche, keine Handschellen. Nur ein Telefo n anruf im Hauptquartier und die ruhige Aufforderung, »di e se Angelegenheit weiter zu besprechen«, Krebs hatte sie auch aufgefordert, ihre Waffen zu übergeben. Höflich, doch hinter der Höflichkeit immer die Drohung.
    Das Gestapo-Hauptquartier war in einem großen, fün f stöckigen Wilhelminischen Gebäude, das nach Norden blickte und niemals die Sonne sah. Vor vielen Jahren, in den Tagen der Weimarer Republik, hatte das museumsäh n liche Gebäude die Berliner Kunstschule beherbergt. Als die Geheimpolizei es übernahm, waren die Studenten gezwu n gen

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