Vaterland
ungehobelter Pa t ron. Übrigens möchte ich bei dieser Gelegenheit für die Akten mein Erstaunen darüber zu Protokoll geben, daß er in irgend etwas Kriminelles verwickelt sein soll.«
Krebs holte seinen Füllhalter hervor. Globus fuhr fort: »Bühler hat die Kunstwerke gestohlen. Stuckart hat sie in Empfang genommen. Luthers Stellung im Außenminist e rium gab ihm die Möglichkeit, frei ins Ausland zu reisen. Wir nehmen an, daß er bestimmte Gegenstände aus dem Reich geschmuggelt und sie dann verkauft hat.« »Wo?«
»Vor allem in der Schweiz. Aber auch in Spanien. Mö g licherweise in Ungarn.« »Und als Bühler aus dem Genera l gouvernement zurückkam ... wann war das?« Er sah März an, und März sagte: »1951« »1951 wurde das hier ihre Schatzkammer.«
Nebe ließ sich in den Drehstuhl nieder und drehte sich langsam, wobei er nacheinander jede Wand betrachtete. »Außerordentlich. Das dürfte eine der besten Kunstsam m lungen in privater Hand auf der ganzen Welt sein.« »Eine der besten Sammlungen in krimineller Hand«, warf Globus ein.
»Ach.« Nebe schloß die Augen. »So viel Vollkomme n heit an einem Ort betäubt die Sinne. Ich brauche Luft. G e ben Sie mir Ihren Arm, März.«
Als er stand, konnte März die alten Knochen krachen hören. Aber der Griff um seinen Arm war aus Stahl.
Nebe ging an seinem Stock - taptaptap - über die Vera n da an der Rückseite der Villa.
»Bühler hat sich selbst ertränkt. Stuckart hat sich e r schossen. Ihr Fall scheint sich ziemlich überzeugend selbst zu lösen, Globus, ohne etwas so Lästiges wie ein Verfahren zu benötigen. Rein statistisch gesehen würde ich sagen, daß Luthers Überlebenschancen recht gering sind.«
»Zufällig hat Herr Luther ein schlechtes Herz. Nach den Angaben seiner Frau infolge der Nervenbelastungen wä h rend des Krieges« »Sie überraschen mich«
»Nach den Angaben seiner Frau braucht er Ruhe, Med i kamente und Frieden - was er gegenwärtig nicht bekommt, wo immer er sein mag«
»Diese Geschäftsreise ...«
»Er sollte am Montag aus München zurückkommen. Wir haben das bei der Lufthansa überprüft. An jenem Tag gab es niemanden namens Luther auf irgendeinem der Münchenflüge.« »Vielleicht ist er ins Ausland geflohen.«
»Vielleicht. Aber ich bezweifle das. Aber letzten Endes werden wir ihn schon aufspüren, wo immer er sein mag« Taptap. März bewunderte Nebes geistige Beweglichkeit. Als Berliner Polizeichef hatte er in den Dreißigern eine Abhandlung über Kriminologie geschrieben. Er erinnerte sich, sie Dienstag abend auf Koths Regalen in der Finge r abdruckabteilung gesehen zu haben. Sie war noch immer ein Standardwerk. »Und Sie, März.« Nebe blieb stehen und schwang sich herum. »Was ist Ihre Meinung zu Bühlers Tod?«
Jäger, der seit ihrer Ankunft in der Villa geschwiegen hatte, mischte sich unruhig ein: »Wenn ich das sagen darf, wir haben nur Tatsachen gesammelt ...«
Nebe schlug heftig mit seinem Stock gegen Stein. »Die Frage war nicht an Sie gerichtet.«
März brauchte dringend eine Zigarette. »Ich habe nur vorläufige Beobachtungen«, begann er. Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare. Er war hier nicht in seinem Gewä s ser; bei weitem nicht. So kann man nicht anfangen, dachte er, so kann man nur enden. Globus hatte die Arme gekreuzt und starrte ihn an.
»Parteigenosse Bühler«, begann er, »ist irgendwann zwischen 6 Uhr am Montagabend und 6 Uhr am nächsten Morgen gestorben. Wir warten noch auf den Autopsieb e richt, aber die Todesursache war mit größter Wahrschei n lichkeit Ertrinken - seine Lungen waren mit Flüssigkeit gefüllt, was darauf hinweist, daß er noch atmete, als er ins Wasser kam. Wir wissen ferner von dem Wachtposten auf der Chaussee, daß Bühler während jener zwölf kritischen Stunden keinen Besucher empfangen hat.« Globus nickte. »Also: Selbstmord.«
»Nicht notwendigerweise, Herr Obergruppenführer. Bühler hat keine Besucher über Land empfangen. Aber die hölzerne Mole ist in jüngster Zeit angeschrammt worden, was es als möglich erscheinen läßt, daß dort ein Boot ang e legt haben könnte.« »Bühlers Boot«, sagte Globus.
»Bühlers Boot ist seit Monaten nicht mehr gebraucht worden; vielleicht seit Jahren.«
Jetzt, da er die Aufmerksamkeit seiner kleinen Zuhöre r schaft gefangen hielt, fühlte März einen Ansturm der E r heiterung; ein Empfinden der Erleichterung. Er begann rasch zu reden. langsamer, mahnte er sich, sei vorsichtig.
»Als ich gestern morgen die
Weitere Kostenlose Bücher