Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vaterland

Vaterland

Titel: Vaterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
Vom Netzwerk:
gens auch. Aber vielleicht aus einem anderen Grund.« Er ergriff wieder März'
    Arm - derselbe harte Griff - und zischte: »Diese Schweine haben etwas vor. Was ist das? Sie werden es h e rausfinden. Sie werden es mi r sagen. Vertrauen Sie ni e mandem. So hat Onkel Artur so lange überlebt, wie er überlebt hat. Wissen Sie, warum einige von den Alte n Gl o bus >das U-Boot< nennen?«
    »Nein, Herr Oberstgruppenführer.«
    »Weil er während des Krieges in einem polnischen Ke l ler ein U-Boot aufgehängt hatte und die Abgase dazu ve r wendete, Menschen z u töten. Globus liebt es, Menschen umzubringen. Er würde Sie liebend gerne umbringen. Da r an sollten Sie de n ken.« Nebe ließ März' Ar m los. »Und jetzt müssen wir uns verabschieden.«
    Er klopfte mit dem Knauf seines Stockes gegen das Trennglas.
    Der Fahrer stieg aus und öffnete März' Tür.
    »Ich würde Ihnen anbieten, bis Berlin Mitte mitzufa h ren, aber ich fahre lieber allein. Halten Sie mich unterric h tet. Finden Sie Luther,
    März. Finden Sie ihn, bevor Globus ihn faßt.«
    Die Tür schlug zu. Der Motor flüsterte. Als die Limo u sine über den Kies knirschte, konnte März Nebe kaum noch ausmachen - nur ei n grüner Umriß hinter der schußs i cheren Scheibe. Er drehte sich um und sah, daß Globus ihn beobachtete.
    Der SS-General begann, auf ihn zuzugehen, und hielt e i ne Luger ausgestreckt.
    Er ist verrückt, dachte März. Er ist verrückt genug, mich auf der Stelle niederzuschießen wie Bühlers Hund.
    Aber alles, was Globus tat, war, ihm die Waffe zu g e ben. »Ihre Dienstwaffe, Sturmbannführer. Sie werden sie brauchen.« Und dan n kam er ganz nahe heran - nahe g e nug, daß März den sauren Geruch nach Knoblauchwurst in seinem heißen Atem riechen konnte. »Si e haben keinen Zeugen«, war alles, was er flüsterte. »Sie haben keinen Zeugen. Keinen mehr.«
    März rannte.
    Er rannte von dem Grundstück herunter und über die Chaussee und hinauf in den Wald - geradeaus durch ihn hindurch, bis er di e Autobahn erreichte, die die östliche Grenze des Grun e walds bildet.
    Da hielt er an, seine Hände umkrampften seine Knie, sein Atem kam in Schluchzern, während unter ihm der Verkehr nach Berli n brauste.
    Dann war er wieder unterwegs, trotz der starken Seite n stiche, jetzt eher ein Trab, über die Brücke, an der S-Bahnstation Nikolasse e vorbei, die Spanische Allee hinu n ter auf die Kaserne zu.
    Sein Kripo-Ausweis brachte ihn an der Wache vorbei, seine Erscheinung - rotäugig, atemlos, mit mehr als einem Tagesbartwuchs deutete einen schrecklichen Notfall an, der keine Di s kussion duldete. Er fand den Schlafblock. Er fand Josts Bett. Das Kopfkissen wa r verschwunden, die Decken waren abgezogen worden. Alles, was da noch übrig war, waren der Eisenrahmen und eine harte braun e Matratze. Der Spind war leer.
    Ein einsamer Kadett, der ein paar Betten weiter seine Stiefel wienerte, erklärte, was sich ereignet hatte. Sie hatten Jost in der Nach t abgeholt. Sie waren zu zweit. Er werde in den Osten geschickt, hatten sie gesagt, zu einem »Sonde r lehrgang«. Er war ohne ein Wor t gegangen - so als habe er es erwartet. Der Kadett schüttelte den Kopf vor Verwund e rung: ausgerechnet Jost. Der Kadett wa r eifersüchtig. Sie alle waren es. Er würde wirklichen Kampf erleben.

DREI
    Das Fernsprechhäuschen stank nach Urin und altem Zig a rettenrauch, und ein gebrauchtes Kondom war in den Dreck getreten worden. »Komm doch, komm doch«, flüsterte März. Er klopfte mit einer Reichsmarkmünze gegen das trübe Glas und lauschte auf das elektronische Surren ihres klingelnden Telefons, das unbeantwortet blieb. Er ließ es lange Zeit klingeln, ehe er aufhängte. Auf der anderen Seite der Straße machte ein Lebensmittelladen auf. Er kaufte sich eine Flasche Milch und ein paar frische Brötchen, die er am Straßenrand verschlang, wobei ihm ständig bewußt war, daß der Lebensmittelhändler ihn durch sein Schaufenster beobachtete. Da wurde ihm klar, daß er schon jetzt wie ein Flüchtiger lebte - nur dann für Lebensmittel Halt machen, wenn man zufällig über sie stolpert, sie im Freien verze h ren, ständig in Bewegung sein. Milch rann ihm übers Kinn. Er wischte sie mit dem Handrücken ab. Seine Haut fühlte sich an wie Schmirgelpapier.
    Er sah sich aufs neue prüfend um, ob man ihm folge. Auf seiner Straßenseite schob ein uniformiertes Kinde r mädchen einen Kinderwagen. Auf der anderen war eine alte Frau in das Fernsprechhäuschen gegangen. Ein Schu l junge

Weitere Kostenlose Bücher