Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vaterland

Vaterland

Titel: Vaterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
Vom Netzwerk:
Die eisernen Tore zu Bühlers Villa standen weit auf. Das Gelände war voller Fahrzeuge und mit schwarzen Uniformen übersät. Ein SS-Mann überprüfte den Rasen mit einem Protonenmagnet o meter. Hinter ihm hatte man einen Pfad von roten Fäh n chen in den Boden getrieben. Auf dem Kies standen BMWs der Gestapo, ein LKW, ein großer gepanzerter Transportwagen von der Art, mit dem man Goldbarren transportiert.
    März spürte, wie Jäger ihn anstieß. Im Schatten neben dem Haus stand eine kugelsichere Mercedes-Limousine, deren Fahrer sich gegen die Karosserie lehnte. Ein metall e ner Stander hing über dem Kühlergrill: silberne SS-Blitze auf schwarzem Untergrund; in einer Ecke wie ein kabbali s tisches Zeichen der gotische Buchstabe K.

ZWEI
    Der Chef der Reichskriminalpolizei war ein alter Mann. Er hieß Artur Nebe, und er war eine Legende.
    Nebe war schon Chef der Berliner Kripo gewesen, ehe die Partei an die Macht kam. Er hatte einen kleinen Kopf und die fahle schuppige Haut einer Schildkröte. 1954 hatte ihm der Reichstag zu Ehren seines 60. Geburtstages ein großes Gut in der Nähe von Minsk im Ostland geschenkt, mit vier Dörfern, aber er war nicht einmal hingefahren, um es sich anzusehen. Er lebte mit seiner bettlägerigen Frau allein in Charlottenburg in einem großen Haus, das nach Desinfektionsmitteln und reinem Sauerstoff roch. Es wurde behauptet, Heydrich wolle ihn Ioswerden, um seinen eig e nen Mann mit der Kripo zu betrauen, es aber nicht wage. Am Werderschen Markt nannten sie ihn »Onkel Artur, O n kel Artur wußte alles.
    März hatte Nebe aus der Entfernung gesehen, war ihm aber noch nie begegnet. Jetzt saß er an Bühlers Flügel und schlug mit seiner gelben Klaue einen hohen Ton an. Das Instrument war nicht gestimmt, der Ton in der staubigen Luft ein Mißklang. Am Fenster stand mit dem breiten Rücken zum Zimmer Odilo Globus. Krebs schlug die H a cken zusammen und grüßte. »Heil Hitler! Die Fahnder März und Jäger.« Nebe fuhr fort, Klaviertasten anzuschl a gen. »Aha!« Globus drehte sich um. »Die großen Detekt i ve.«
    Aus der Nähe war er ein Stier in Uniform. Sein Hals spannte seinen Kragen. Die Hände hingen ihm an den Se i ten, zu ärgerlichen roten Fäusten geballt. Auf seiner linken Wange war er voller Narben, hochrot gefleckt. Gewaltt ä tigkeit knisterte in der trockenen Luft um ihn herum wie statische Elektrizität. Jedesmal, wenn Nebe einen Ton a n schlug, zuckte er zusammen. Er will den alten Mann ve r prügeln, dachte März, aber er kann nicht. Nebe stand im Rang über ihm.
    »Falls der Herr Oberstgruppenführer seinen Vortrag b e endet haben sollte«, sagte Globus durch zusammengebiss e ne Zähne, »könnten wir beginnen.«
    Nebes Hand erstarrte über der Tastatur. »Warum hat j e mand einen Bechstein und läßt ihn ungestimmt?« Er sah März an. »Warum tut er das?«
    »Seine Frau hat gespielt«, sagte März. »Sie ist vor elf Jahren gestorben.«
    »Und seither hat niemand mehr darauf gespielt?« Nebe schloß den Deckel leise über den Tasten und fuhr mit dem Finger durch den Staub. »Sonderbar.«
    Globus sage: »Wir haben viel zu tun. Heute habe ich am frühen Morgen dem Reichsführer bestimmte Vorgänge b e richtet. Wie Sie wissen, Herr Oberstgruppenführer, findet dieses Treffen auf seine Anweisung hin statt. Krebs wird die Position der Gestapo vortragen.«
    März wechselte Blicke mit Jäger. Also war es bis rauf zu Heydrich gegangen.
    Krebs hatte ein getipptes Memorandum. Mit seiner g e nauen und ausdruckslosen Stimme begann er zu lesen. »Die Nachricht vom Tod des Dr. Josef Bühler wurde über Fernschreiber im Gestapo-Hauptquartier vom Beamten vom Nachtdienst der Berliner Kriminalpolizei gestern Morgen, dem 15. April, um 2.15 Uhr empfangen. Um 8.30 Uhr wurde im Hinblick auf den SS-Ehrenrang eines Brig a deführers des Parteigenossen Bühler der Reichsführer pe r sönlich von seinem Hinscheiden unterrichtet.« März hatte seine Hände hinter dem Rücken zusammengepreßt, die Nägel gruben sich in seine Handflächen. In Jägers Wange zuckte ein Muskel.
    »Zur Zeit des Todes führte die Gestapo eine Unters u chung der Tätigkeiten des Parteigenossen Bühler durch. Im Hinblick darauf und angesichts der früheren Stellung des Verstorbenen im Generalgouvernement wurde der Fall zu einer Sache der Staatssicherheit erklärt und die weitere Durchführung der Gestapo übertragen.
    Jedoch wurde wegen eines offensichtlichen Zusa m menbruchs der Verbindungsverfahren diese Neubewertung dem

Weitere Kostenlose Bücher