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Vaterland

Vaterland

Titel: Vaterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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überflog ihn. Sie hatte entschieden, daß er Paule in Zukunft nicht mehr s e hen dürfe. Das rege den Jungen zu sehr auf. Sie hoffe, er werde zustimmen, da es so am besten sei. Falls nötig, sei sie aber auch bereit, vor dem Reichsfamiliengericht eine eidesstattliche Erklärung über ihre Gründe abzulegen.
    Sie vertraue darauf, daß das nicht nötig sein werde, in seinem und des Jungen Interesse. Sie hatte mit »Klara Eckert« unterschrieben. Also hatte sie ihren Mädchenn a men wieder angenommen. Er knüllte den Brief zusammen und warf ihn neben die Fotografie zum Rest des Abfalls.
    Wenigstens das Badezimmer hatten sie intakt gelassen. Er duschte und rasierte sich, und sah sich im Spiegel seine Verletzungen an. Die fühlten sich schlimmer an, als sie aussahen: eine große Quetschung, die sich auf seiner Brust prachtvoll entwickelte, weitere Quetschungen an den Rückseiten seiner Beine und unten an seinem Kreuz; ein bleigrauer Fleck an seiner Kehle. Nichts Ernsthaftes. Wie pflegte sein Vater zu sagen? Jener väterliche Balsam g e gen alle Beschädigungen der Kindheit? »Du wirst es übe r leben, Junge.« So war es. »Du wirst es überleben!«
    Nackt ging er zurück ins Wohnzimmer, durchstöberte den Trümmerhaufen, zog eine saubere Hose hervor, ein Paar Schuhe, einen Koffer, eine lederne Reisetasche. Er befürchtete, sie hätten ihm seinen Reisepaß weggeno m men, aber er war da, am Fuße des Hügels. Er war 1961 ausgestellt worden, als März nach Italien gefahren war, um einen Verbrecher zurückzubringen, den man in Mailand festhielt. Sein jüngeres Ich starrte ihn an, mit volleren Wangen und einem halben Lächeln. Mein Gott, dachte er, ich bin in 3 Jahren um 10 Jahre gealtert.
    Er bürstete seine Uniform aus und zog sie zusammen mit einem sauberen Hemd wieder an und packte dann se i nen Koffer. Als er sich vorbeugte, um ihn zu schließen, fiel sein Blick auf etwas im leeren Kamin. Das Foto der Fam i lie Weiß lag da, Gesicht nach unten. Er zögerte, nahm es auf, faltete es zu einem kleinen Viereck zusammen - genau so wie er es vor fünf Jahren gefunden hatte - und schob es in seine Brieftasche. Wenn er angehalten und durchsucht werden sollte, würde er sagen, das sei seine Familie. Dann warf er einen letzten Blick auf alles und ging, und schloß die zerbrochene Tür hinter sich, so gut er konnte.
    In der Hauptniederlassung der Deutschen Bank am Witte n bergplatz fragte er nach, wieviel er noch auf seinem Konto habe.
    »4277 Reichsmark und 38 Pfennige.«
    »Ich hebe es ab.«
    »Alles, Herr Sturmbannführer?« Der Kassierer blinzelte ihn durch eine drahtgerahmte Brille an. »Wollen Sie das Konto schließen?«
    »Alles «
    März sah ihm zu, wie er 42 Hundertmarkscheine abzäh l te, dann schob er sie in seine Brieftasche zu der Fot o grafie. Nicht viel al s Ersparnis eines Lebens.
    Das haben dir keine Beförderungen und 7 Jahre Alime n te angetan.
    Der Kassierer starrte ihn an. »Hat der Herr Sturmban n führer etwas gesagt?«
    Er hatte seinen Gedanken also die Stimme geliehen. Er verlor wohl schon den Verstand. »Nein. Tut mir leid. Da n ke.«
    März nahm seinen Koffer auf, ging hinaus auf den Platz und nahm sich ein Taxi zum Werderschen Markt.
    Als er allein in seinem Büro war, erledigte er zwei Dinge. Er rief das Hauptbüro der Lufthansa an und bat den Siche r heitschef - einen ehemaligen Kripo-Fahnder namens Friedmann, den er kannte -, zu überprüfen, ob die Luftha n sa auf einem ihrer Berlin - Zürich-Flüge am Sonntag oder Montag einen Passagier namens Martin Luther an Bord gehabt habe.
    »Martin Luther, ja?« Friedmann war ziemlich erheitert. »Sonst noch jemanden, März? Karl den Großen vielleicht? Oder Herr von Goethe?« »Es ist wichtig.«
    »Es ist immer wichtig. Natürlich. Weiß ich doch« Friedmann versprach, die Information sofort herauszus u chen. »Hören Sie zu. Wenn Sie es eines Tages leid sind, krummen Hunden nachzu jagen: Hier können Sie immer einen Job bekommen, wenn Sie wollen.« »Danke. Vie l leicht komm ich eines Tages darauf zurück«
    Nachdem er aufgehängt hatte, nahm März die tote Pflanze vom Aktenregal herunter. Er hob die verdorrten Wurzeln aus dem Topf, legte den Messingschlüssel hinein, setzte die Pflanze wieder ein und stellte den Topf auf se i nen alten Platz. Fünf Minuten später rief ihn Friedmann zurück.
    Artur Nebes Büroräume lagen im vierten Stockwerk- nur cremefarbene Teppiche und cremefarbener Anstrich, g e dämpftes Licht und schwarze Ledersofas. An den Wänden

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