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Vaterland

Vaterland

Titel: Vaterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Tee und ließ sie dann allein. Das übliche Ge schwätz: wie geht es Ihrer Mutter? Sehr gut, danke der Nachfrage. Ha, war das ein Witz. Sie schnippte die Asche vom Ende ihrer Zigarette.
    »Die Karriere meiner Mutter ist gestorben, als sie Berlin verließ. Und wurde durch meine Ankunft begraben. Wie Sie sich vorstellen können, gab es während des Krieges in Hollywood keine große Nachfrage nach deutschen Schau s pielerinnen.« Und dann hatte er sie nach ihrem Vater g e fragt, in einer gewissermaßen zähneknirschenden Weise. Und sie hatte großes Vergnügen empfunden, als sie sagen konnte: ausgezeichnet, ich danke Ihnen. Er sei 1961 in den Ruhestand getreten, als Kennedy an die Macht kam. Der Stellvertretende Unterstaatssekretär Michael Maguire. Gott schütze die Vereinigten Staaten von Amerika. Stuckart ha t te ihn durch Mom getroffen, hatte ihn gekannt, als er hier bei der Botschaft war. März unterbrach: »Wann war das?« »1937 bis 1939.« »Weiter.«
    Na ja, dann habe er nach ihrem Job gefragt, und sie habe ihm davon erzählt. >World European Features‹ er hatte nie davon gehört. Kaum überraschend, hatte sie gesagt: Ni e mand habe davon gehört. Solche Sachen. Höfliches Inte r esse, wissen Sie. Und als sie gegangen war, hatte sie ihm ihre Karte gegeben, und er hatte sich verneigt und ihr die Hand geküßt, und war dabei verweilt und war nicht zu bremsen gewesen, und sie hatte sich schlecht gefühlt. Als sie hinausgingen, hatte er ihr den Hintern getätschelt. Und sie sei froh zu sagen: das war's. Fünf Monate: nichts. »Bis Samstag abend?«
    Bis Samstag abend. Sie hatte in der Telefonkabine kaum mehr als dreißig Sekunden gewartet, als er anrief. Jetzt war alle Arroganz aus seiner Stimme gewichen.
    »Charlotte?« Er hatte die zweite Silbe betont. Scha r lotte. Verzeihen Sie dieses Melodram. Ihr Telefon wird abg e hört.« »Man sagt, daß die Anschlüsse aller Ausländer a b gehört werden.«
    »Das stimmt. Als ich noch im Ministerium war, legte man mir Abschriften vor. Aber öffentliche Fernsprecher sind sicher. Ich bin jetzt in einem öffentlichen Fernspr e cher. Ich bin am Donnerstag vorbeigekommen und habe mir die Nummer der Fernsprechzelle aufgeschrieben, in der Sie jetzt sind. Es ist ernst, wissen Sie. Ich muß Kontakt zu den Behörden Ihres Landes aufnehmen.« »Warum gehen Sie nicht in die Botschaft?« »Die Botschaft ist nicht s i cher.«
    Er hatte verängstigt geklungen. Und angetrunken. Er hatte mit Sicherheit getrunken. »Wollen Sie sagen, daß Sie überlaufen wollen?«
    Ein langes Schweigen. Sie hörte hinter sich ein G e räusch. Das Geräusch von Metall gegen Glas. Sie hatte sich umgedreht und im Regen und der Dunkelheit einen Mann entdeckt, der die Hände um seine Augen wölbte, in die K a bine starrte und wie ein Tiefseetaucher aussah. Sie hatte wohl aufgeschrien oder so, denn Stuckart war noch ve r schreckter geworden. »Was war das? Was ist?« »Nichts. Nur jemand, der telefonieren will.«
    »Wir müssen schnell machen. Ich werde nur mit Ihrem Vater verhandeln, nicht mit der Botschaft.« »Was wollen Sie, daß ich tue?«
    »Kommen Sie morgen zu mir, und ich werde Ihnen alles erzählen. ScharLotte, ich werde Sie zur berühmtesten R e porterin auf Erden machen.«
    »Wo? Und wann?« »In meiner Wohnung. Mittags« »Ist es dort sicher?« »Sicher ist es nirgendwo«
    Dann hatte er aufgehängt. Das waren die letzten Worte, die sie Stuckart hatte sprechen hören. Sie rauchte ihre Zig a rette zu Ende und zertrat die Kippe.
    Den Rest kannte er mehr oder weniger schon. Sie hatte die Leichen gefunden und die Polizei gerufen. Sie hatten sie in die große Wache am Alexanderplatz mitgenommen, wo sie in einem Zimmer mit kahlen Wänden über drei Stunden gesessen hatte und langsam verrückt wurde. Dann hatte man sie zu einem anderen Gebäude gefahren, wo sie vor einem kriecherischen SS-Mann mit billiger Perücke, dessen Büro eher wie das eines Pathologen als das eines Detektivs aussah, ihre Aussage zu machen hatte. März l ä chelte über die Beschreibung von Fiebes.
    Sie war da schon entschlossen, der Polizei nichts von Stuckarts Anruf am Samstag abend zu sagen, und zwar aus einem augenscheinlichen Grund. Wenn sie angedeutet hä t te, daß sie bereit gewesen sei, Stuckart beim Überlaufen zu helfen, hätte man sie »mit dem Status als Journalist nicht vereinbarter Tätigkeiten« angeklagt und verhaftet. So hatte man beschlossen, sie abzuschieben. So geht das.
    Die Behörden planten zur Feier des

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