Vaterland
er: »Ein verlockender Handel. Aber warum habe ich nur diese Vision, in der ich Ihnen mit e i nem weißen Taschentuch vom Vorfeld des He r mann-Göring-Flughafens aus zum Abschied winke, wä h rend Sie nie mehr zurückkommen?« »Ich nehme an, mein Ehre n wort, daß ich zurückkäme, würde Ihnen nichts nü t zen?« »Der Vorschlag beleidigt unsere Intelligenz.«
Nebe ging zu seinem Tisch zurück und las den Brief noch einmal. Er drückte einen Knopf auf seinem Schrei b tisch. »Beck.« Der Adjutant erschien. »März - geben Sie ihm Ihren Reisepaß. Und jetzt, Beck, schaffen Sie das ins Innenministerium und lassen Sie sofort ein 24-Stunden-Ausreisevisum ausstellen, gültig ab 6 Uhr heute abend bis 6 Uhr morgen abend.« Be ck blickte März an und glitt dann aus dem Büro.
Nebe sagte: »Dies ist mein Angebot. Der Chef der Zü r cher Kriminalpolizei, Herr Streuli, ist ein guter Freund von mir. Von dem Augenblick an, in dem Sie aus dem Flu g zeug steigen, bis zu demAugenblick, in dem Sie es wieder besteigen, werden seine Leute Sie überwachen. Versuchen Sie nicht, ihnen zu entwischen. Wenn Sie morgen nicht zurückkommen, werden Sie verhaftet und abgeschoben. Wenn Sie versuchen sollten, nach Bern durchzubrennen, um sich dort in eine ausländische Botschaft zu begeben, wird man Si e aufhalten. In jedem Fall gibt es für Sie keinen Ausweg. Nach der glücklichen Ankündigung von gestern würden die Amerikaner Sie uns einfach über den Zaun z u rückschme i ßen. Die Briten, die Franzosen und die Italiener tun, was wir ihnen sagen. Australien und Kanada geho r chen den Amerikanern. Da gibt es noch die Chinesen, nehme ich an, aber ich würde mich da wohl in ein KZ b e geben. Und in dem Augenblick, in dem Sie wieder zurück in Berlin sind, werden Sie mir alles berichten, was Sie h e rausgefunden haben. Einverstanden?« März nickte.
»Gut. Der Führer nennt die Schweizer >eine Nation von Hoteliers<. Ich empfehle das Baut au Lac in der Talstraße mit Blick über den See. Äußerst luxuriös. Ein hübscher Ort für einen Verurteilten, dort eine Nacht zu verbringen.«
Zurück in seinem Büro buchte er, die Parodie eines To u risten, sein Hotelzimmer und ließ sich einen Flugzeugplatz reservieren. Binne n einer Stunde hatte er seinen Paß z u rück. Mit eingeste m peltem Visum: der allgegenwärtige Adler und das u m kränzte Hakenkreuz, di e leeren Stellen für die Daten ausgefüllt von einer mürrischen Bürokrate n handschrift.
Die Gültigkeit eines Ausreisevisums stand in direkter Beziehung zur politischen Zuverlässigkeit des Antragste l lers. Parteibonze n erhielten 10 Jahre; Parteigenossen 5; Bürger mit make l loser Führung 1; der Abschaum aus den Lagern bekam n a türlich gar nichts. Mär z hatte man einen Tagespaß in die Außenwelt gegeben. Damit gehörte er zu den Unberührbaren der Gesellschaft - den Murrenden, de n Parasiten, den Arbeitsscheuen, den geheimen Verbr e chern. Er rief die Kripo-Abteilung für Wirtschaftsfragen an und fragte nach de m Experten für die Schweiz. Als er Zauggs Namen nannte und fragte, ob die Abteilung darüber i r gendwelche Informationen habe, lacht e der Mann am and e ren Ende. »Wieviel Zeit haben Sie?«
»Fangen Sie vorne an.«
»Warten Sie bitte.« Der Mann legte den Hörer nieder und ging, die Akte zu holen.
Zaugg & Cie waren 1877 von einem franz ö sisch-deutschen Finanzier namens Louis Zaugg gegründet wo r den. Hermann Zaugg, de r Unterzeichner von Stuckarts B e glaubigungsbrief, war der Enkel des Gründers. Er war i m mer noch als Generaldirektor der Ban k eingetragen. Be r lin hatte seine Aktivitäten über mehr als zwei Jahrzehnte ve r folgt. Während der vierziger Jahre hatte Zaug g umfangre i che Geschäfte mit deutschen Bürgern fragwürdiger Zuve r lässigkeit gemacht. Er wurde gegenwärtig verdächtigt, Mi l lione n Reichsmark in Bargeld, Kunstwerken, Barren, Juw e len und Edelsteinen zu lagern - was alles rech t mäßig hätte konfisziert sein sollen, z u dem aber das F i nanzministerium keinen Zugang erhalten konnte. Man hatte das seit Jahren versucht.
»Was haben wir über Zaugg persönlich?«
»Nur die nackten Daten. Er ist vierundfünfzig, verheir a tet, ein Sohn. Hat eine Villa am Zürichsee. Sehr ehrbar. Sehr zurückgezogen. Viel e mächtige Freunde in der Schweizer Regierung.«
März zündete sich eine Zigarette an und schnappte sich ein Stück Papier. »Geben Sie mir noch mal die Anschrift.«
Max Jäger kam herein, als März ihm gerade eine Notiz
Weitere Kostenlose Bücher