Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vatermord und andere Familienvergnuegen

Vatermord und andere Familienvergnuegen

Titel: Vatermord und andere Familienvergnuegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Toltz
Vom Netzwerk:
mir so etwas wie Liebe zeigte.
    Es war alles zu viel. Ich taumelte durch die Küche und die Diele, griff mir meinen Koffer und stürzte zur Haustür hinaus.
    Wäre ich in halbwegs zurechnungsfähiger Verfassung gewesen, hätte ich sofort bemerkt, dass in der Welt um mich herum irgendetwas nicht stimmte. Ich ging wie durch Watte und spürte die Hitze auf meinem Gesicht. Ich ging immer weiter, schnell, wie von einer starken Strömung mitgerissen. Meine Gedanken brachen in zwei Teile und replizierten sich - Wut zerfiel in Entsetzen und Zorn, dann wieder in Mitleid und Ekel und so weiter. Ich blieb die ganze Zeit nicht stehen und fühlte mich Schritt für Schritt kräftiger. Ich ging zum Gipfel des Farmers Hill.
    Dann sah ich es.
    Den Himmel.
    Dichter Rauch wirbelte in dicken Kegeln auf, die sich zu Fäden verjüngten. Wie graue Finger streckten sie sich über den Horizont und griffen hinein in ganze Schichten von diesigem Orange.
    Dann fühlte ich es. Die Hitze. Ich schrak zusammen. Das Land brannte!
    Ein Buschbrand!
    Ein heftiger!
    Als ich oben auf dem Hügel stand, bot sich mir ein höllischer Ausblick, und ich wusste sofort, dass ich diese Bilder nie wieder aus dem Kopf bekommen würde. Ich sah, wie das Feuer sich teilte. Die eine Hälfte raste aufs Haus meiner Eltern zu, die andere aufs Gefängnis.
    Ich weiß nicht, was mich geritten hat, während ich zusah, wie das Feuer meine Heimatstadt einschloss - aber irgendwie glaubte ich tatsächlich, zumindest einen Teil meiner Familie retten zu können. Ich wusste, dass ich Terry wahrscheinlich nicht helfen konnte und dass es doch eine runde Sache sei, wenn er in dem Gefängnis, das mein Vater mitgebaut hatte, einen brutalen und unschönen Tod fand. Daher fiel mir die Entscheidung leicht. Ich würde versuchen, meine Mutter zu retten, obwohl sie gerade erst versucht hatte, mich umzubringen, und meinen Vater, obwohl er es nicht versucht hatte.
    Die Buschfeuersaison hatte in diesem Jahr früh begonnen. Hohe Temperaturen und kräftige Winde hatten dafür gesorgt, dass schon den ganzen Sommer über kleinere Feuer überall an der Peripherie des nordwestlichen New South Wales aufgeflackert waren. Ein einziger glutheißer Windstoß genügt, der die vereinzelten Brände anfacht und sie in rasender Geschwindigkeit in unkontrollierbare, wütende Feuerwalzen verwandelt. So entwickelt sich das immer. Das Feuer hatte ein paar hinterhältige Asse in seinem lodernden Ärmel: Es schleuderte Funken in die Luft. Der Wind trug die Funken einige Meilen weiter, um dort neue Feuer zu entfachen, sodass wenn das Hauptfeuer ankam, sein Sprössling bereits wütete und Opfer forderte. Das Feuer war nicht dumm. Es griff um sich wie verrückt.
    Rauch kroch in einer opaken Wolke über die Stadt. Ich rannte zu meinem Elternhaus, vorbei an umgeknickten Bäumen, Telegrafenmasten und Überlandleitungen. Flammen züngelten rechts und links der Straße. Rauch leckte über mein Gesicht. Die Sicht war gleich null. Ich lief trotzdem nicht langsamer.
    Umgestürzte Bäume machten die Straße unpassierbar. Ich schlug einen Trampelpfad durch den Busch ein. Ich konnte den Himmel nicht sehen; ein dicker Rauchvorhang hatte sich zugezogen. Überall um mich herum hörte man es, ein Knistern, als würde jemand auf zerknüllten alten Zeitungen herumspringen. Brennende Abfälle trieben über die Baumwipfel. Unmöglich zu erkennen, in welcher Richtung noch ein Durchkommen war. Ich rannte trotzdem weiter, bis ich eine Stimme »Halt!« rufen hörte.
    Ich hielt an. Woher kam die Stimme? Schwer zu sagen, ob sie von weit her oder aus meinem Kopf kam.
    »Halt dich links«, sagte die Stimme. »Links!«
    Normalerweise hätten herrische Stimmen, die sich nicht einmal vorstellten, mich dazu gebracht, in die entgegengesetzte Richtung zu gehen, aber ich fühlte, dass diese Stimme nur mein Bestes wollte. Terry war tot, das wusste ich, und es war seine Stimme, es waren seine letzten Worte an mich, auf seinem Weg ins Jenseits.
    Ich hielt mich nach links, und kaum hatte ich dies getan, sah ich, wie der nach rechts abgehende Pfad ein Raub der Flammen wurde.
    Hinter der nächsten Wegbiegung stieß ich auf eine Gruppe Männer, die Wasser in die Baumwipfel spritzten. Sie umklammerten pralle, wild zuckende Pythons, die dem Bauch zweier Feuerwehrwagen entsprangen, und hatten nasse Lappen im Gesicht. So etwas wollte ich auch. Dann dachte ich: Man kann praktisch in keine Situation geraten, in der man nicht auch das haben will, was ein anderer

Weitere Kostenlose Bücher