Vatermord und andere Familienvergnuegen
müssen um Selbsterkenntnis aufblühen zu lassen. Dieses Kind wird sehr viel allein sein das ist sicher.
Igitt
Wenn ein Mädchen, will Astrid das Kind aus irgendeinem Grund Wilma nennen - wenn ein Junge, Jasper. Gott weiß woher sie diese Namen nimmt - ist mir auch egal. Wenn vernünftig erzogen wird er/sie in einem gewissen Alter seinen/ihren eigenen Namen wählen der widerspiegelt was er/sie ist oder zu sein glaubt, um sich in seiner/ihrer Haut vollkommen wohlzufühlen - nichts schlimmer, als deinen Namen rufen zu hören & einen leidenschaftslosen Schauder zu spüren, oder wenn es dich kaltlässt deinen Namen gedruckt zu sehen, was auch der Grund dafür ist, warum die meisten Unterschriften kaum zu entziffernde Krakel sind: Das Unbewusste rebelliert gegen den Namen, versucht ihn zu zerschmettern.
Mache mir Geldsorgen. Astrid ebenfalls. Sagt sie ist früher in mehr Ländern blank gewesen als ich aufzählen kann & in größerer Armut als ich mir vorstellen kann aber noch nie mit Baby & sie fürchtet die mir eigene Faulheit werde dafür sorgen dass wir beide verhungern. Kritik ist offenbar das neue Feuer das nie erlöschen wird. Ein Kind zu haben heißt jeden Tag vom Hammer der Verantwortung festgenagelt zu werden.
Herr Jesus!
Idiotie (oder ist es Wahnsinn?) neu definiert in dem Augenblick als ich nach Haus kam: Astrid repariert die Sicherungen in der Küche und steht dabei in einer kleinen Wasserpfütze. Ich warf sie mir über die Schulter und schmiss sie aufs Bett.
»Willst du dich umbringen?«, schrie ich.
Sie sah mich an als trüge ich mein Gesicht mit der Innenseite nach außen & sagte mit leiser gelangweilter Stimme: »Wenn mir eine wirklich kluge Art einfiele, Selbstmord zu begehen, würde ich's tun.«
»Wie kannst du auch nur an Selbstmord denken, wenn du schwanger bist?«, fragte ich sie und überraschte mich selbst mit Gedankengut von Abtreibungsgegnern.
»Keine Sorge. Selbstmorde gehen sowieso oft schief. Als ich klein war, ist mein Onkel von einer Klippe gesprungen und hat dann von unten hochgewinkt, mit gebrochener Wirbelsäule. Und meine Cousine hat eine Überdosis Tabletten genommen und sich dann eine Woche lang übergeben. Mein Großvater hat sich eine Pistole in den Mund gesteckt, abgedrückt und es geschafft, sein Gehirn nicht zu treffen.«
»Das ist das Erste, was du mir über deine Familie erzählst! Hat jedes Mitglied deiner Familie irgendwann mal versucht, sich umzubringen?«
»Mein Vater nie.«
»Wer war dein Vater? Wie hieß er? Was machte er? Lebt er noch? Aus welchem Land stammt er? Aus welchem Land stammst du? Was ist deine Muttersprache? Wo bist du aufgewachsen? Warum redest du nie davon? Warum erzählst du mir nie irgendwas? Ist dir etwas Schreckliches zugestoßen? Was...«
Ein kalter Glanz ging von ihr aus - sie verschwand hinter einer eisigen Miene. Ihre Seele in einem Schnellzug zurück nach Nirgendwo.
Fürwahr seltsame Zeiten
Mit Astrid schlimmer denn je. Eine Wand aus Eis trennt uns. Sie macht überhaupt nichts mehr, starrt bloß aus dem Fenster oder auf ihren aufgeblähten Bauch. Nur selten sagt sie etwas & ihre Ansichten sind so freudlos & nichtssagend, wie es meine waren, bevor ich sie leid wurde. (Ich bin kein Optimist geworden, aber mein Pessimismus langweilte mich, darum mache ich mir zur Abwechslung jetzt unbeschwerte heitere Gedanken - leider wird mir das auch schon langweilig - was kommt als Nächstes?)
Ich sage: »Wir sollten ein bisschen rausgehen.«
Sie sagt: »Um was zu machen?«
Ich sage: »Wir könnten uns in ein Cafe setzen & die Leute beobachten.«
Sie sagt: »Ich mag keine Leute mehr sehen.«
Das Leben hat seinen Reiz verloren. Nichts von dem, was ich vorschlage, kann ihre Katatonie durchdringen. Museum? Sie kennt schon alle. Spaziergänge im Park? Astrid ist bereits unter jeder erdenklichen Art von Grün flaniert. Kino? Bücher? Keine neuen Geschichten, bloß neue Akteure. Sex? Sie hat jede Position schon x-mal durchprobiert.
Ich frage sie: »Bist du traurig?«
»Nein, unglücklich.«
»Deprimiert?«
»Nein, angeödet.«
»Ist es wegen des Babys?«
»Tut mir leid, ich kann es nicht erklären, aber du bist wunderbar, Martin. Danke schön«, sagt sie drückt mir die Hand & starrt mich m. ihren großen glasigen Augen an.
Eines Nachts putzte sie die ganze Wohnung & ging dann raus & kam m. Wein & Käse & Schokolade & einem Filzhut für mich zurück den ich dann trug und sonst nichts. Sie kriegte sich nicht mehr ein vor Lachen &
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