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Vatermord und andere Familienvergnuegen

Vatermord und andere Familienvergnuegen

Titel: Vatermord und andere Familienvergnuegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Toltz
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Der Regen nahm kein Ende.
    Zwei Stunden später sagte Eddie: »Los geht's.«
    Das Boot glitt erbarmungslos heran, ein Albtraum, bedeckt mit Containern.
    Zwei Männer stiegen aus, Mützen oben, Schals unten, die Gesichter dazwischen kaum zu sehen. Wir arbeiteten stumm in der Anonymität der Nacht, luden Kisten vom Boot & trugen sie die Rampe hoch zur Straße wo ein Lastwagen wartete. Der Lkw-Fahrer hatte verschlafene Augen & während wir arbeiteten versuchte ich zu erraten was ihn peinigte kam aber auf nichts anderes als »hasst Nachtarbeit«. Eddie & ich luden stundenlang die schweren Kisten ab während andere sich Befehle in heiserem Flüsterton zubellten. Als das Boot endlich ablegte tat mir alles weh.
    Der Lkw-Fahrer übergab Eddie einen Umschlag & wir gingen im kalten Mondlicht schwitzend weg. Eddie gab mir den Umschlag und versuchte mir das ganze Geld unterzujubeln sodass ich meine unerwartete & ungewollte Familie ernähren könnte aber ich gab ihm die Hälfte - mein gieriges Ich rieb sich an meinem prinzipientreuen Ich.
    Ich kam nach Haus & war enttäuscht dass ich nach einer Nacht voll anstrengender Plackerei ohne Schramme war. Hatte erwartet mein Gesicht wäre rußgeschwärzt aber es gibt nun mal keinen Ruß wenn man Kisten umpackt egal wie schwer sie sind.
    »Wie war's?«, fragte Astrid, als sei ich weg gewesen, mir einen Film anzusehen, um den viel Wirbel gemacht wurde. Ich schaute ihren Bauch an & stellte mir vor, es wäre nichts drin, kein Baby, nicht einmal ein Verdauungssystem, nur ein leerer mit Luft aufgeblasener Hohlraum & ich ging hin & legte meine Hand auf ihre Wucherung, was sie als liebevolle Geste auffasste & sie küsste meine Hand, wovon mir am ganzen Leib kalt wurde & ich dachte: Ich bin unfähig diese Frau zu lieben die Mutter meines Kindes und vielleicht werde ich ja auch das Kind nicht lieben können. Warum bin ich so? Liegt es daran dass ich mich selbst nicht liebe? Ich mag mich aber ist das genug?
     
     
    Eine Woche später: ein Unfall
    Wir arbeiten Nacht für Nacht, stumme Silhouetten, die im Dunkeln schwitzen. Die Stunden ziehen sich hin & ich vertreibe mir die Zeit indem ich mir vorstelle ich wäre ein ägyptischer Sklave beim Bau einer der kleineren Pyramiden. Mein Traum platzt als ich versehentlich Eddie einbeziehe weil ich sage als wir eine Kiste zum dritten Mal absetzen: Komm schon Eddie aus Liebe zu Ra!
    Als ich heute Nacht nach Hause kam lag Astrid am Boden. »Ist alles in Ordnung? Was ist passiert?« »Ich bin die Treppe runtergefallen.«
    Mein erster besorgter Gedanke galt dem Baby - sein Kopf wird angeknackst & an einer Seite eingedrückt sein, dachte ich.
    Ich brachte sie ins Bett & fütterte sie & las ihr vor wie meine Mutter mir vorgelesen hat obwohl sie allem Anschein nach den Sturz unverletzt überstanden hatte. Sie lag im Bett & starrte aber nur mit dem Weißen in ihren Augen. Ihre Pupillen lagen da wie Splitter der Nacht. Sie sagte ich solle mich nicht aufregen.
    »Glaubst du, mit dem Baby ist alles in Ordnung?«, fragte ich. »Sollen wir mit deinem Bauch ins Krankenhaus?«
    »Du willst dieses Baby nicht«, sagte sie, ohne mich anzuschauen.
    »Das ist nicht wahr!«, verteidigte ich mich. »Ich wollte dieses Baby nicht, aber nun, da es kommt, habe ich das Unvermeidliche akzeptiert«, log ich in der Hoffnung mich selbst in stoische Gelassenheit zu reden. Es funktionierte nicht.
     
     
    Heute Nacht
    Heute Nacht ist etwas passiert. Wir arbeiteten wie üblich vor uns hin, ein trister Mond schickte diffuses Licht durch einen dünnen Wolkenschleier, die Nacht wie ein Biss in einen kalten Apfel - die Zähne taten mir weh davon. Banden das Boot an den Pier & ich dachte, wenn jemand den Geruch von nassem Tau in Flaschen füllen würde, ich würde diese Flaschen kaufen.
    Plötzlich Rufe. Über uns kam eine Gruppe von vier Arabern die Treppe herunter - dicht beisammen, im Schlägergang, ein bedrohliches Federn. Schmale schwarze Mäntel & noch schmalere Gesichter. Die Araber schrien irgendwas & unsere Jungs schrien zurück & hörten auf zu arbeiten & packten, was immer bei der Hand war, Eisenstangen, Brecheisen, Metallhaken. Die beiden Parteien stritten in einem Geprassel aus Französisch & Arabisch. Ich wusste nicht, worum es ging, doch die Spannung konnte man fast greifen. Beide Gruppen einander bedrohlich nahe & es gab Geschubse & Gestoße & sie erinnerten mich so an abgefüllte rivalisierende Footballfans, dass die Szene Heimweh in mir auslöste.
    Eddie sagte zu mir: »Wir

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