Vatermord und andere Familienvergnuegen
wiederkommen würde daher sagte ich: »Vielleicht gehst du jetzt besser, bevor sich jemand an deinem kantigen Gesicht schneidet.«
Sie explodierte, zerriss mich in der Luft, kritisierte alles an mir. Der Subtext war eindeutig, du liebst mich nicht, aber zu meiner Entschuldigung, muss ein Mensch sich überhaupt dafür entschuldigen, jemanden nicht zu lieben, ich kannte sie ja auch erst zwei Tage.
Sie stürmte hinaus & ich fragte mich: Was will sie überhaupt mit meinem leeren Leben? Will sie es füllen & indem sie das tut, sich selbst entleeren?
Ein paar Abende später
Es funktioniert so: Sie taucht uneingeladen auf 8c steht vor mir wie diese schläfrigen Kühe & manchmal machen wir was zu essen & manchmal lieben wir uns & manchmal weint sie dabei & das hasse ich wirklich.
Oft nimmt sie meinen Arm, selbst wenn wir nur durch die Wohnung gehen und während sie redet verliere ich den Faden. Ihr Englisch ist einwandfrei aber oft habe ich keine Ahnung was sie meint so als würde sie mir nur eine Kurzfassung ihrer Gedanken mitteilen. Manchmal erzählt sie lachend Geschichten & obwohl sie ein wirklich süßes Lachen hat komme ich ums Verrecken nie dahinter was so lustig ist. Sie lacht auch über Dinge die ich sage aber an so seltsamen Stellen dass es mich nicht wundert wenn sie beim Wörtchen »der« loslacht. Ihr Lachen ist so groß dass ich Angst habe ich werde noch in ihren Mund gesaugt & finde mich am falschen Ende des Universums wieder.
& sie glaubt an Gott! Ich hätte nie geglaubt, ich würde mal mit jemandem zusammen sein, der glaubt - aus Langeweile fange ich mit ihr einen kleinen Streit über Gott an und werfe ihr die olle Kamelle hin: Wenn es einen Gott gibt, warum gibt es dann so viel Elend & Böses in der Welt? & sie kontert direkt mit Gottes witziger Gegenfrage an Hiob: Wo warst du, da ich die Erde gründete? Ist das eine Antwort?
Ich glaube, ihre Liebe zu mir hat nichts mit mir zu tun, abgesehen von der Verfügbarkeit - falscher Ort, falsche Zeit. Sie liebt mich, wie ein hungernder Mann jede Pampe liebt, die man ihm zum Essen hinstellt - kein Kompliment an den Koch, sondern ein Zeugnis für seinen Hunger. Bei diesem Vergleich bin ich die Pampe.
Ich möchte verliebt in sie sein aber auch wieder nicht. Ich meine, sie ist sehr hübsch besonders wenn sie überrascht oder geschockt aufschreit, weswegen ich mich andauernd plötzlich auf sie stürze, aber ich kann mich nicht überwinden sie zu lieben. Ich weiß auch nicht, warum nicht. Vielleicht weil sie mich als erster nicht verwandter/nicht medizinischer Mensch nackt sieht, vielleicht auch weil sie oft glücklich wirkt, einfach bei mir zu sein - etwas in mir ärgert sich bei der Vorstellung, dass ich jemanden durch meine bloße Existenz glücklich machen kann. Für mich hat meine Existenz noch nie etwas getan.
Gestern hat sie mich aufgefordert, sie Pauline zu nennen.
»Ich lege mir für jedes Land, in dem ich gerade bin, einen neuen Namen zu«, sagte sie.
»Willst du damit sagen, Astrid ist gar nicht dein richtiger Name?«
»Er ist richtig, wenn du mich so nennst & ich antworte.«
»Und wie heißt du dann?«
»Pauline.«
»Nein, das ist dein Name in Frankreich. Wie ist dein eigentlicher Name, dein Originalname?«
»Es gibt keine Originalnamen. Die sind alle schon mal vergeben worden.«
Ich knirschte mit den Zähnen & dachte: Was mach ich hier bloß mit dieser Bekloppten? Sie redet zu viel & ihr Weinen frustriert mich, dann langweilt es mich & mit jedem Tag bin ich mehr & mehr davon überzeugt, dass sie schon mal in einer Nervenklinik gewesen sein muss & wenn nicht, sollte sie es mal ernsthaft in Erwägung ziehen.
Blablabla
Habe versucht mich vor ihr zu verschließen doch es nutzt nichts. Um mich zu verstehen hat Astrid oder Pauline oder wie immer sie auch heißt heimlich begonnen in Büchern nach Passagen zu suchen die ich unterstrichen habe. Neulich hat sie bei Lermontow das hier gefunden: »Ich war mürrisch, inmitten einer Schar fröhlicher, ausgelassener Kinder; ich fühlte, dass ich ihnen überlegen war - man drückte mich unter sie herab: Ich ward neidisch. Ich hätte gern die ganze Welt geliebt - niemand verstand mich: ich lernte hassen.« Die Stelle fiel ihr besonders auf weil ich sie unterstrichen & umringelt & mit der Anmerkung versehen hatte: Meine Kindheit! Ich muss darauf achten nicht solche Fensterchen zu meiner Seele offen stehen zu lassen.
Muss diese Geschichte beenden weiß aber nicht wie da es wohl meine
Weitere Kostenlose Bücher