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Vatermord und andere Familienvergnuegen

Vatermord und andere Familienvergnuegen

Titel: Vatermord und andere Familienvergnuegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Toltz
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man da Angst haben?«
    Aus der Toilette als Gott zu sprechen, ließ die Situation echter wirken. Durch die Akustik hallte meine Stimme ein wenig; so würde sich wahrscheinlich seine Stimme anhören.
    »Wird er ein guter Vater sein?«, fragte sie.
    »Er wird sich alle Mühe geben!«
    »Er wird nicht bleiben. Das weiß ich. Eines Tages wird er fortgehen, und ich werde mit diesem Baby, diesem kranken Baby, allein sein.«
    »Mit dem Baby ist alles in Ordnung.«
    »Du weißt, dass es so krank sein muss wie ich.«
    Dann lachte sie lange & grausig & verfiel dann in Schweigen.
    Diese kurzen Unterhaltungen mit Gott bzw. mir schienen sich
    zu einer prächtigen Oper auszuwachsen. Sie ist so offen zu mir wie noch nie, wenn sie mich vom Nebenzimmer aus anruft. »Gott?«
    »Sprich mit mir.«
    »Mein Leben ist vergeudet.«
    »Sag so was nicht.«
    »Ich bin schon überall gewesen! Ich habe keine Freunde! Ich habe keine Heimat!« »Jeder hat eine Heimat.«
    »Ich bin zu schnell gereist! Ich habe zu viel gesehen! Ich vergesse nichts! Ich bin unfähig zu vergessen!«
    »Ist das so schlecht? So hast du eben ein gutes Gedächtnis. Höre, wessen Gesicht malst du da?«
    »Das meines Vaters.«
    »Ach nein!«
    »Das des Vaters meines Vaters.« »Ja, welches denn nun?« »Das des Vaters des Vaters meines Vaters.« »Höre, Astrid. Möchtest du, dass ich dich strafe?« Hierauf sagte sie nichts mehr. Ich hatte sie das (Gottes-)Fürchten gelehrt.
     
     
    Seufz
    Mit Eddie heute Abend meine erbärmlichen Finanzen besprochen & er bot mir an mir Geld zu geben nicht als Kredit sondern geschenkt. Aus falschem Stolz lehnte ich ab & biss mir auf die Zunge. Wanderte durch die Straßen & fragte in Cafes in holprigem Französisch ob ich dort arbeiten könne. Als Antwort nur stummer Hohn. Was soll ich tun? Die Uhr läuft. Eine neunmonatige Schwangerschaft lässt einfach nicht genug Vorbereitungszeit. Ich bete, dass das Baby keine Frühgeburt wird - halb gare Leute machen Schwierigkeiten.
    Liebe ist Knochenarbeit
    Ich war in der Küche & Astrid saß im Wohnzimmer & malte den Abfall ihrer Seele da hörte ich sie rufen: »Dieu!« »Was?»
    »Dieu! Vous etes ici! Pouvez-vous mentendre?« »Englisch, mein Kind.«
    »Ich habe heute ein totes Kind gesehen, mein Gott.« »Igitt. Wo denn?«
    »Vor dem Krankenhaus. Ein Paar trug es zur Notaufnahme, sie rannten, aber ich sah, dass das Kind schon tot war.« »Das ist bitter«, sagte ich.
    »Warum hast du es zu dir genommen, mein Gott?« »Wieso ich? Ich war nicht mal in seiner Nähe!« Sie blieb etwa zehn Minuten lang stumm, dann fragte sie: »Wo bist du, mein Gott?« »Im Badezimmer.« »Wo bist du, o Herr?« »Im Badezimmer!«
    »Was ist, wenn sich nichts ändert, nachdem das Baby raus ist?« »Spinnst du? Ein Baby ändert alles.« »Aber in mir selbst. In meinem Blut?« »Astrid, bist du beim Arzt gewesen?«
    »Ja, mein Herr, ich war beim Arzt in Österreich & in Italien & in Griechenland & in Deutschland & in der Türkei & in Polen & sie sagen alle das Gleiche, sie hätten nie gesünderes Blut gesehen als meins.«
    »Bitte, da siehst du es. Warst du wirklich in der Türkei beim Arzt? Hat er sich die Hände gewaschen?« »Ich bin zum Tode verurteilt.«
    »Das bildest du dir nur ein. Dir fehlt nichts. Das sagen alle. Du bist vollkommen gesund. Du darfst dir nicht weiter einreden, dein Blut wäre nicht in Ordnung. Das ist verrücktes Gerede, okay?«
    »Okay.«
    »Sind wir uns da einig?« »Ja, mein Gott.«
    »Gut. Und was gibt's zum Abendessen?«
     
     
    3 Uhr morgens
    Heute Nacht habe ich gearbeitet!
    Eddie hat - ohne mich vorher zu fragen - jemanden überredet, mir einen Job zu geben.
    »Ich hab dir nicht mein Einverständnis gegeben.«
    »Du hast praktisch kein Geld mehr. Du hast ein Kind, an das du denken musst.«
    »Na schön, meinetwegen, was muss ich machen?«
    »Du arbeitest mit mir. Kisten verladen.«
    »Klingt ganz in Ordnung.«
    »Es ist harte Knochenarbeit.«
    »Davon hab ich schon gehört«, sagte ich und fragte mich, warum die Leute immer damit prahlen, eine Arbeit zu machen, die auf die Knochen geht.
    Der Pont Neuf bei Einbruch der Dunkelheit - nirgendwo Boote. Dunkle Wasser der Seine, bewegungslos. Wir warteten am steinernen Ufer des Flusses & sahen dem bräunlichen Wasser zu, wie es einfach dalag.
    »Was machen wir jetzt?«, fragte ich.
    »Wir warten.«
    Boote & Lastkähne zogen träge vorbei. Ein leichter Regen fiel & mit ihm der Vorhang der Nacht. Bunte Lichter der Stadt spiegelten sich im Strom.

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