Vatermord und andere Familienvergnuegen
ihr den Parka. Was nun? »Hallo«, sagte Dad.
Sie drehte sich zu ihm um. Sie hatte strahlend grüne Augen in dem knochigsten Gesicht, das ich je gesehen hatte. Ich fand, sie sollte Gott für diese Augen danken; sie waren das einzig Schöne an ihr. Ihre Lippen waren so dünn und kaum vorhanden. Ihr Gesicht war ausgemergelt und bleich. Sie wäre nichts gewesen als weiße Haut über einem langen Schädel, wären da nicht diese glasklaren Augen gewesen. Dad sagte noch einmal Hallo. Sie ignorierte ihn, stieß mit dem Fuß die Tür auf und trat auf die Straße.
Draußen fiel Nieselregen aus einem metallisch gelben Himmel herab. Ich sah sie nicht, aber ich wusste, dass die Sonne irgendwo sein musste - ihr Gähnen machte die Luft heller. Kein Zweifel, die Morgenröte riecht anders als der Rest des Tages; sie hat so eine Frische, wie wenn man in einen Kopfsalat beißt und ihn dann mit der angebissenen Seite nach unten zurück in den Kühlschrank legt, damit es niemand merkt.
Das Mädchen stand unter dem Vordach und machte gerade den berühmten roten Parka zu.
»Hallo, Sie da.« Dads Stimme hatte keine Wirkung auf sie. Ich dachte, es könnte helfen, wenn ich mich räusperte. Es half. Ihre strahlend grünen Augen richteten sich wie Punktstrahler auf Dad und mich.
»Was wollt ihr?«
»Sie haben eine Schramme in mein Auto gemacht«, sagte Dad.
»Welches Auto?« »Mein Auto.«
»Wann?«
»Am frühen Abend, so gegen Viertel vor neun.« »Sagt wer?«
»Sage ich«, sagte Dad und trat einen Schritt näher heran an den roten Parka mit den beiden grünen Suchscheinwerfern. »Ich weiß, dass Sie es waren.«
»Verpisst euch gefälligst, ehe ich die Polizei rufe.«
»Sie wollen also die Polizei rufen, soso.«
»Ja, vielleicht mach ich das, Geldsack.«
»Wie haben Sie mich genannt?«
»Ich hab dich Geldsack genannt, Geldsack.«
»Jedes Mal, wenn Sie den Mund aufmachen, belasten Sie sich selbst. Warum sollten Sie mich für einen Geldsack halten, wenn Sie nicht mein Auto gesehen hätten?«
Nicht schlecht, Dad, dachte ich. Soll sie sehen, wie sie sich rauswindet.
»Dein Anzug sieht aus wie einer, den ein fettes reiches Schwein tragen würde.«
Nicht schlecht, Grünauge. Jetzt hat sie dich, Dad.
»Zu Ihrer Information: Ich bin kein Geldsack«, sagte Dad.
»Ist mir egal, was du bist.«
Dieser groteske Abend schien in einem toten Punkt zu enden. Dad hatte seine Arme verschränkt und versuchte, Grünauge niederzustarren, aber sie hatte ihre Arme verschränkt und starrte wütend zurück, die Augen so weit aufgerissen, dass sie geradezu lidlos wirkten. War's das? Konnten wir jetzt nach Hause gehen?
»Wie alt sind Sie?«
»Verpiss dich doch.«
»Ich möchte nur zwei Dinge von Ihnen.«
»Tja, die kriegst du aber nicht.«
»Ich will ein Geständnis und eine Erklärung. Das ist alles.«
Das ist genau das, was ein alleinstehender Mann um halb sechs am Morgen braucht, dachte ich - das ist genau der Grund dafür, warum Menschen Ehefrauen und Ehemänner oder Freunde und Freundinnen haben, damit die verhindern, dass sie allzu gruselig werden. Aber lass einen Mann lange genug allein sein, und es gibt nichts, was er nicht anstellen würde. Allein zu leben schwächt das Immunsystem des Bewusstseins und macht das Gehirn anfällig für seltsame Ideen. »Ich will ein Geständnis und eine Erklärung«, wiederholte Dad und legte seine Hand auf ihre Schulter, als wäre er ein Ladendetektiv, der eine Diebin erwischt hat. Sie fing an zu schreien: »Hilfe! Polizei! Vergewaltigung!«
Dann kam Dad eine weitere dubiose Idee: Er fing ebenfalls an, nach der Polizei zu schreien. Er stieß mich an. Er wollte, dass ich mitschrie. Ich schrie also wie die beiden anderen, die Vergewaltigung beziehungsweise nach den Bullen riefen. Aber ich beließ es nicht dabei. Ich schrie auch noch nach dem SWAT-Team. Ich schrie nach Hubschraubern. Ich schrie nach Satan. Ich schrie, die Erde solle den Himmel verschlucken. Das brachte sie zum Schweigen. Sie trat vom Gehweg herab und hinaus in den Regen. Dad und ich gingen neben ihr her auf der Straße, ohne zu reden. Ab und zu riskierte Grünauge einen Blick in meine Richtung.
»Was hast du mit dem Gehirnamputierten zu tun?«, fragte sie mich.
»Keine Ahnung.«
»Ist er dein Vater?«
»Behauptet er jedenfalls.«
»Das hat nichts zu bedeuten.«
»He, Vandalin. Reden Sie nicht mit ihm. Sie haben noch ein Geständnis abzulegen.«
»Du kannst nichts beweisen, Geldsack.«
»Kann ich nicht? Kann ich nicht? Tja,
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