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Vatermord und andere Familienvergnuegen

Vatermord und andere Familienvergnuegen

Titel: Vatermord und andere Familienvergnuegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Toltz
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Aleph, das sich in dieser Geschichte auf der neunzehnten Stufe einer Kellerwendeltreppe befindet, ist ein geheimnisvolles, uraltes Portal zu jedem Punkt unseres Universums - kein Witz, zu jedem erdenklichen Punkt -, und wenn man hineinblickt, dann sieht man, na ja, absolut alles eben. Meine Hypothese ist, dass irgendwo in den uralten Schichten unseres Selbst eine vergleichbare Pforte existieren könnte, die irgendwo in einem Riss, einer Spalte oder der Erinnerung an unsere eigene Geburt schlummert, nur dass wir sie nie entdecken oder zu ihr gelangen können, weil der übliche Lauf des Lebens bergeweise irgendwelchen Mist darüberhäuft. Ich behaupte ja nicht, dass ich das glaube, aber ich habe bisher einfach keine bessere Erklärung gefunden für den Ursprung dieses schwindelerregenden Durcheinanders von Bildern und Lauten, die vor meinem inneren Auge und Ohr aufflackerten und vorbeiwirbelten. Wenn man ein inneres Auge haben kann, warum nicht auch ein inneres Ohr? Du denkst wahrscheinlich: Na, eine innere Nase gibt es doch auch nicht. Doch, die gibt es. Und wie Borges in seiner Geschichte kann auch ich es nicht genau beschreiben, denn alle meine Visionen erfolgten simultan, Sprache aber ist sukzessiv, das heißt, ich kann es auch nur so wiedergeben. Du musst also deiner Fantasie freien Lauf lassen, Jasper, wenn ich dir nun ein Billionstel von dem erzähle, was ich gesehen habe:
    Ich sah alle Morgendämmerungen zu früh anbrechen, und alle Mittage mahnten einen zur Eile; die Abenddämmerungen flüsterten: »Ich glaube kaum, dass du es schaffen wirst«, und alle Mitternächte zuckten die Achseln und sagten: »Dann mehr Glück morgen.« Ich sah all die Hände, die einem Fremden zugewinkt haben, im Glauben, es sei ein Freund. Ich sah all die Augen, die gezwinkert haben, um jemanden wissen zu lassen, dass eine Kränkung nur als Scherz gemeint war. Ich sah all die Männer, die Klobrillen abwischen, bevor sie urinieren, aber nie danach. Ich sah all die einsamen Männer, die Schaufensterpuppen anstarren und denken: Jetzt reizen mich schon Schaufensterpuppen. Langsam wird es tragisch. Ich sah Dreiecksbeziehungen, etliche Vierecksbeziehungen und ein bizarres Liebessechseck im Hinterzimmer eines stickigen Cafes in Paris. Ich sah all die verkehrt herum übergestreiften Kondome. Ich sah all die Rettungswagenfahrer, die während ihrer Freizeit im Stau stehen und sich wünschen, hinten drin läge ein sterbender Mann. Ich sah all die edlen Spender auf einen Platz im Himmel spekulieren. Ich sah all die Buddhisten, die von Spinnen gebissen wurden, die sie nicht töten mochten. Ich sah all die Fliegen, die sinnlos gegen Fliegengitter klatschten, und all die Flöhe, die sich freudestrahlend auf Haustieren einnisteten. Ich sah all das zerbrochene Geschirr in den griechischen Restaurants und all die Griechen, die dachten: Tradition schön und gut, aber das wird langsam teuer. Ich sah all die einsamen Menschen, die Angst vor ihren eigenen Katzen bekamen. Ich sah Kinderwagen, und jeder, der behauptet, Babys seien süß, hat nicht die Babys gesehen, die ich gesehen habe. Ich sah Beerdigungen und all die Bekannten der Verstorbenen, die den freien Nachmittag genossen. Ich sah Zeitungshoroskope, die behaupteten, ein Zwölftel der Erdbevölkerung habe Besuch von einem Verwandten zu erwarten, der sich Geld leihen wolle. Ich sah die zahllosen Fälschungen berühmter Bilder, aber keine Fälschungen berühmter Bücher. Ich sah all die Schilder, die den Zutritt oder den Ausgang verbieten, aber keine Schilder, die Brandstiftung oder Mord verbieten. Ich sah all die Würmer, die von neugierigen Kindern und bedeutenden Wissenschaftlern zerschnitten wurden. Ich sah all die Eisbären, Grizzlybären und Koalabären, die man bemüht, um dicke Menschen zu beschreiben, die angeblich zum Knuddeln sind. Ich sah all die hässlichen Männer sich an all die glücklichen Frauen heranmachen, die den Fehler begangen haben, sie anzulächeln. Ich sah in Münder, und da drin ist es wirklich widerlich. Ich sah die Vogelperspektiven all der Vögel, die finden, dass die Menschheit, dieser Haufen von Kloschüsselköpfen, ganz schön emsig ist.
    Was sollte ich mit alldem anfangen, was erwartete man von mir? Ich weiß, dass die meisten Menschen darin eine göttliche Vision gesehen hätten. Sie hätten vielleicht sogar Gott gefunden, der ihnen daraus entgegenhüpfte wie ein heiliges Schachtelteufelchen. Aber ich nicht. Alles, was ich darin sah, war die Menschheit und ihr hohles

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