Vatermord und andere Familienvergnuegen
geschleudert wurde.
An diesem Nachmittag hatte ich das Gefühl, ich betrachtete das Leben wie durch eine zum Fernrohr zusammengerollte Zeitung. Ich hatte die letzten Reste von Unschuld aus meinem Herzen gespült. Ich hatte einen Mann unter die Erde gebracht oder ihm zumindest den Weg dorthin verkürzt, und ich verabscheute mich dafür bis in alle Zukunft und darüber hinaus. Man kann sich selbst nicht alle Sünden vergeben. Man kann sich selbst gegenüber nicht immer zu nachsichtig sein. Ja, in manchen Fällen ist es sogar unverzeihlich, sich selbst zu verzeihen.
Ich saß hinter der Turnhalle, den Kopf in die Hände gestützt, als eine Aufsicht, eine Art gütiger Hitlerjunge, zu mir kam und mir ausrichtete, der Rektor wolle mich sehen. Tja, das war's dann wohl, dachte ich. Ich ging ins Zimmer des Rektors und stellte fest, dass sein wandlungsfähiges Gesicht Müdigkeit zeigte.
»Mr. Silver«, sagte ich.
»Wie ich höre, warst du mit Brett befreundet.« »Das stimmt.«
»Ich habe mich gefragt, ob du vielleicht bei Mr. Whites Beisetzung einen Psalm lesen würdest?«
Ich? Der Mörder liest einen Psalm bei der Beerdigung seines Opfers? Während der Rektor mir mehr über meine Rolle im Ablauf der Beerdigung mitteilte, fragte ich mich, ob es nicht eine Art raffinierte Bestrafung war, denn ich fühlte mich so durchschaubar, wie ich hier saß, mehr als nur durchsichtig - ich kam mir vor wie eine archäologische Ausgrabungsstätte: Meine Gedanken waren alte Tontopfscherben, die alles über die ignorante, dekadente Zivilisation verrieten, die einst dort geherrscht hatte.
Ich sagte, es werde mir eine Ehre sein, bei der Beerdigung einen Psalm zu verlesen.
Was hätte ich sonst sagen sollen?
Am selben Abend nahm ich mir den Psalm vor. Er bot alles, was man erwarten durfte: Strenge, Zaunpfahl-Metaphern und altertümlichen Symbolismus. Ich riss die Seite aus der Bibel heraus und dachte: Diesem deprimierenden Quatsch leihe ich nicht meine Stimme. Stattdessen wählte ich eine Passage aus einem von Dads Lieblingsbüchern, mit dem er mich ein paar Jahre zuvor in Angst und Schrecken versetzt hatte, eine Passage, die sich in mein Gehirn eingebrannt hatte. Es war ein Abschnitt aus James Thomsons Gedichtband Nachtstadt.
Am Morgen der Beerdigung wurde ich erneut ins Zimmer des Rektors gerufen. Noch auf dem Weg dorthin dachte ich, er wolle den Ablauf der Ereignisse mit mir besprechen. Ich war überrascht, das Flammende Inferno, an die Wand gelehnt, vor seinem Büro warten zu sehen. Also kriegte man uns für unser Verbrechen doch dran. Macht auch nichts, dachte ich.
»Wir sind am Arsch«, sagte sie.
»Geschieht uns recht«, erwiderte ich.
»Ich weiß. Wer hätte gedacht, dass er so reagieren würde?«
»Mund halten«, sagte Mr. Silver barsch, als er die Tür öffnete und uns hereinwinkte. Das Flammende Inferno zuckte zusammen, als habe sie eine Ohrfeige bekommen, und ich fragte mich, in welchem Alter sie entdeckt hatte, dass sie die Macht besaß,
Männer dazu zu bringen, Hüte aus dem Fenster zu werfen. Wenn ich sie jetzt fragte, würde sie sich an den Tag erinnern? Den Augenblick? Den Anlass? Was würde ich nicht alles geben, um die Geschichte ihrer Stärke gegen die Saga meiner Schwäche zu tauschen.
Im Büro saß eine knochige Frau mittleren Alters, die Hände in den Schoß gelegt, und ihre schmalen Augen verengten sich mit jedem Schritt, den ich weiter ins Zimmer kam, um einen halben Zentimeter.
»Schön, ihr beiden«, sagte der Rektor, »was habt ihr zu eurer Verteidigung zu sagen?«
»Sie hatte nichts damit zu tun«, sagte ich. »Ich war es.« »Stimmt das?«, fragte er das Inferno. Sie nickte schuldbewusst.
»Das stimmt nicht«, sagte die Frau und zeigte auf mich. »Er hat es getan, aber sie hat ihn rumkommandiert.« Das nahm ich ihr übel, weil es zutraf.
Ich stand auf und stützte mich mit den Händen auf den Schreibtisch des Rektors.
»Sir, nehmen Sie sich eine Sekunde Zeit, das Mädchen anzusehen, das sie beschuldigen. Sehen Sie sie an!« Er sah sie an. »Sie ist ein Opfer ihrer eigenen Schönheit. Und warum? Weil Schönheit Macht bedeutet. Und Macht korrumpiert, wie wir aus dem Geschichtsunterricht wissen. Daher macht absolute Schönheit auch absolut korrupt.«
Das Flammende Inferno starrte mich an. Mr. Silver räusperte sich.
»Tja, Jasper, was du getan hast, war unverzeihlich.«
»Da sind wir einer Meinung. Und Sie müssen mich nicht von der Schule verweisen, denn ich verschwinde von hier.« Er biss
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