Vatermord und andere Familienvergnuegen
sie es zwei Nummern zu klein gekauft; es betonte jede Kurve ihres Körpers. Und es waren Haarnadelkurven. Mein Gott, sie war üppig gebaut, und wenn man die entsprechende Vorstellungskraft hatte, konnte man sich nichts anderes vorstellen, als mit ihr zu schlafen, und sei es nur, um sie wieder aus dem Kopf zu bekommen. Ich gebe zu, dass ich seit meinem vierzehnten Lebensjahr von ihr fantasiert und dazu masturbiert habe, seit sie ihre Phase als kahl rasierte, Doc-Martenstragende, gepiercte, zornige junge Frau hinter sich gelassen hatte. Ihre grünen Augen funkelten immer noch, aber im Lauf der Jahre hatte sie ihr schwarzes Haar wachsen lassen und trug es lang und offen. Sie hatte ihre Piercings herausgenommen, war nicht mehr spindeldünn, sondern drall, und spazierte jetzt herum wie eine promiskuitive Wolke in einem engen Kleid. Obwohl ich hier war, um etwas gegen die Depression und den bevorstehenden Selbstmord meines Vaters zu unternehmen, konnte ich mich des Gedankens nicht erwehren, dass es möglicherweise höchste Zeit war, dass Anouk und ich miteinander schliefen. Sollte ich versuchen, sie zu verführen? Kann man jemanden verführen, der einen durch die Pubertät begleitet hat?
»Vielleicht solltest du mal für eine Weile mit Beziehungen aussetzen«, sagte ich.
»Ich will aber nicht enthaltsam leben. Ich mag Sex. Ich habe mit vielen Männern geschlafen, und ich will weiter mit Männern schlafen. Ich sage dir, wer von den animalischen Trieben des Menschen redet und die Frauen dabei außen vor lässt, sollte nachts mal bei mir vorbeikommen und mich in Aktion erleben.«
»Ich sage ja nicht, dass du enthaltsam leben sollst. Du könntest dir einen Liebhaber suchen, so, wie sie es in Frankreich machen.«
»Weißt du, was, das ist keine schlechte Idee. Aber wo finde ich einen Lover ohne gegenseitige Verpflichtungen?«
»Na ja - und sag nicht gleich Nein! -, wie war's mit mir?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Weil du so was wie ein Sohn für mich bist.«
»Nein, bin ich nicht. Wir sind eher entfernte Verwandte, die insgeheim ein Auge aufeinander geworfen haben.« »Ich habe noch nie ein Auge auf dich geworfen.« »Du solltest darüber nachdenken.« »Was ist mit deiner Freundin?«
»Ich glaube, sie entliebt sich gerade. Du siehst also, ich brauche dringend etwas, das mein Ego aufbaut, und ich glaube, mit dir zu schlafen, wäre genau das Richtige.«
»Jasper, ich will nicht.«
»Ist das etwa ein Grund?«
»Ja.«
»Hast du noch nie aus reiner Nettigkeit mit jemandem geschlafen?«
»Doch, natürlich.« »Aus Mitleid.« »Meistens sogar.«
»Also, ich hätte auch nichts gegen einen Mitleidsfick.« »Können wir das Thema wechseln?«
»Ich hätte nie gedacht, dass du so selbstsüchtig und herzlos sein könntest. Hast du dich nicht mal ein Jahr lang bei der Heilsarmee engagiert?«
»Um von Tür zu Tür zu gehen und Geld zu sammeln, nicht um Sozialfälle zu bumsen.«
Wir waren in eine Sackgasse geraten. Zumindest ich.
»Jetzt komm, du Dussel«, sagte sie, und damit machten wir uns auf den Weg zum Kasino von Sydney, Anouk als Sturmspitze.
Reden wir Klartext: Im Inneren sah das Kasino von Sydney aus, als habe Vegas mit Liberaces Unterhose ein Kind gezeugt und dieses Kind sei die Treppe heruntergefallen und mit dem Kopf unglücklich auf einem Pik gelandet. An Blackjack-Tischen und vor den Pokerautomaten saßen angespannte, verzweifelte Männer und Frauen, die nicht aussahen, als würden sie zum Vergnügen spielen. Als ich ihnen so zusah, fiel mir wieder ein, dass die Kasinoklientel bekannt dafür war, während sie zockten, ihre Kinder im Auto einzusperren. Ich hatte einen Zeitungsartikel darüber gelesen und hoffte, dass diese traurigen, verzweifelten Menschen die Fenster einen Spaltbreit offen ließen, während sie Geld, das sie eigentlich für die Miete brauchten, in die Taschen des Staates steckten, der Riesengewinne einstreicht und dann ein halbes Prozent davon an die Allgemeinheit zurückgibt - in Form von Krisenberatung für Spielsüchtige. »Das sind sie«, sagte Anouk.
Sie deutete auf eine Horde von Paparazzi, Geschäftsmännern und Politikern. Offensichtlich war Reynold Hobbs, ein siebzigjähriger Mann mit eckiger Drahtgestellbrille und einem kreisrunden, kahlen Charlie-Brown-Kopf, dem Rat gefolgt, es könne seinem Image in der Öffentlichkeit nicht schaden, wenn er sich als Mann des Volkes präsentieren würde, darum hockte er mit hängenden Schultern an einem Blackjack-Tisch mit zehn Dollars
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