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Vatermord und andere Familienvergnuegen

Vatermord und andere Familienvergnuegen

Titel: Vatermord und andere Familienvergnuegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Toltz
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mich, als ich nach draußen »eskortiert« wurde. Ich wartete eine Stunde auf den Stufen vor dem Kasino auf Anouk, und um mir die Zeit zu vertreiben, ging ich zum Parkplatz, um nach erstickenden Kindern zu suchen. Ich fand keine.
    Ich war gerade wieder zurück, als Anouk herauskam. Ich staunte Bauklötze - etwas, das ich davor noch nie getan hatte, ich hatte auch nie wirklich geglaubt, dass Menschen tatsächlich Bauklötze staunen können, es sei denn in Büchern. Aber tatsächlich, ich staunte Bauklötze. Direkt hinter Anouk folgten Oscar und Reynold Hobbs.
    »Und das ist Jasper«, sagte sie.
    »Wir kennen uns bereits«, sagte Reynold mit dem Anflug eines spöttischen Lächelns.
    »Freut mich, Sie wiederzusehen«, sagte ich und kramte für Oscar mein freundlichstes Lächeln hervor, aber mein Gesicht war seinem Blick keinen längeren Aufenthalt wert, darum entging es ihm.
    »Was geht hier vor?«, fragte ich Anouk flüsternd. »Sie begleiten uns«, sagte sie und ließ ihre Augenbrauen tanzen.
    »Wohin?« »Nach Hause.«
     

8
    Auf der Fahrt in der schwarzen Stretchlimousine starrten Reynold und sein Sohn aus ihren jeweiligen Fenstern. Den größten Teil der Strecke konnte ich die Augen nicht von Oscars Dreiviertelprofil abwenden. Was für eine Bürde, dachte ich, stinkreich und unglaublich attraktiv. Trotz allem umgab ihn eine Traurigkeit, die ich mir nicht erklären konnte.
    »Ich habe Bilder von Ihnen in der Zeitung gesehen«, sagte ich.
    »Ach ja?«
    »Und Sie haben immer irgendein umwerfend schönes Model am Arm hängen.« »Und?«
    »Und wo kriege ich so einen Arm her?« Oscar lachte und sah mich zum ersten Mal richtig an. Seine Augen waren kaffeebraun und regungslos. »Wie heißt du noch gleich?« »Jasper.«
    Er nickte, offenbar konnten wir uns darauf einigen, dass ich Jasper hieß.
    »Und was ist das für ein Gefühl, ständig unter Beobachtung zu stehen?«, fragte ich.
    »Man gewöhnt sich daran.«
    »Und Sie fühlen sich nicht eingeschränkt?«
    »Nicht besonders.«
    »Vermissen Sie nicht die Freiheit?«
    »Freiheit?«
    »Lassen Sie es mich so sagen: Sie könnten nicht Ihren Penis rausholen und in einem Zug des öffentlichen Personennahverkehrs schwenken, ohne auf der Titelseite sämtlicher Zeitungen zu landen. Ich schon.«
    »Warum sollte ich im Zug meinen Penis schwenken wollen?«, fragte Oscar. Es war eine gute Frage. Wer wollte das schon?
    Reynold Hobbs hustete, aber diese Übung diente nicht nur dazu, die Lunge frei zu machen. Dieses Husten sollte mich herabsetzen. Ich lächelte. Sie mögen alles Geld der Welt haben, Mr. Hobbs, dachte ich, Sie mögen das ganze Universum bis hin zum letzten Staubpartikel besitzen, Sie mögen Zinsen auf die Sterne erheben und Dividende vom Mond einstreichen, aber ich bin jung, und Sie sind alt, und ich habe etwas, was Sie nicht haben: eine Zukunft.
     
    »Ich habe schon von dieser Sehenswürdigkeit gehört. Es ist ein Labyrinth, stimmt's?«, sagte Reynold, als wir durch das dichte Gestrüpp zum Haus wanderten.
    »Wo haben Sie davon gehört?«, fragte ich, und er sah mich an, als sei ich ein Schrumpfkopf in einer Amazonasausstellung, so als hätte ich Gott gefragt, woher er wusste, dass Adam und Eva den Apfel genommen hatten.
    »Dein Dad wird ganz schön überrascht sein«, sagte Anouk lächelnd zu mir.
    Ich erwiderte das Lächeln nicht. Ich fürchtete eine Szene. Dad mochte keine Überraschungsgäste, was gewöhnlicherweise kein Problem darstellte, da wir nie welche hatten, aber man konnte unmöglich vorhersehen, wie er reagieren würde. Anouk verstand eins nicht: Dass Dad irgendwann in ein Notizbuch geschrieben hatte, er wolle Vorschläge in ein riesiges goldenes Ohr flüstern, hieß noch lange nicht, dass er es nicht zwei Minuten später schon wieder vergessen oder zehn Minuten später in irgendeine andere Kladde geschrieben hatte, sein einziger Wunsch sei, seinen Darm in ein riesiges goldenes Ohr zu entleeren. Man konnte sich da nie sicher sein.
    Wir gingen ins Haus. Zum Glück war es kein ganz ekelerregender Saustall, es war nur moderat verwahrlost: Bücher, verstreute Papiere, die vergammelten Essensreste von ein paar Tagen, nichts allzu Abstoßendes.
    »Er ist wirklich ein Genie«, sagte Anouk, als wolle sie sie auf die Art von Genie vorbereiten, die auf dem Kaffeetisch ihre Notdurft verrichtet.
    »Dad!«, rief ich.
    »Verpiss dich!«, kam seine kehlige Antwort aus dem Schlafzimmer. Reynold und Oscar führten einen stummen Augendialog miteinander.
    »Vielleicht

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