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Vatermord und andere Familienvergnuegen

Vatermord und andere Familienvergnuegen

Titel: Vatermord und andere Familienvergnuegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Toltz
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für mich. Ich hatte bereits damit Bekanntschaft gemacht, als ich ihn aus der Irrenanstalt geholt hatte. Natürlich war es nur Zufall, dass es damals gutgegangen war - den Inhalt dieser verrückten Notizbücher beim Wort zu nehmen und sie auf seinen Besitzer anzuwenden, war ein äußerst gewagtes Unterfangen -, wie wir bald herausfinden sollten.
    »Na und?«, sagte ich.
    »Na und?«
    »Ich versteh's nicht.«
    »Du verstehst es nicht?«
    »Hör auf, alles, was ich sage, zu wiederholen.«
    »Das ist die Antwort, Jasper.«
    »Ach ja? Ich habe die Frage vergessen.«
    »Wie wir die Leere deines Vaters füllen. Ist ganz einfach. Wir gehen ihm eins suchen.«
    »Was suchen?«
    »Ein goldenes Ohr«, sagte sie lächelnd.
     

7
    Als ich am selben Abend zu Anouks Haus ging, dachte ich über ihren Plan nach. Das goldene Ohr, für das sie sich entschieden hatte, war Teil des Kopfes von Reynold Hobbs, der, für den Fall, dass ihr in einer Höhle ohne Kabelempfang lebt, der reichste Mann Australiens war. Ihm gehörten Zeitungen und Zeitschriften, Verlage, Filmstudios und Fernsehsender, die Sportereignisse aufzeichneten, welche dann in seinem Kabelnetz übertragen wurden. Ihm gehörten Fußballclubs, Nachtclubs, Hotelketten, Restaurants, eine Taxiflotte und eine Reihe von Plattenfirmen, die Musik produzierten, die er in seinen Plattenläden vertrieb. Ihm gehörten Resorts, Politiker, Apartmenthäuser, große Villen, Rennpferde und eine Jacht, deren Größe, jener Pazifikinsel Nauru entsprach. Die Hälfte des Jahres lebte er in New York, aber er schirmte sich derart ab, dass man nie wusste, welche Hälfte. Er zählte zu den wenigen Prominenten, die von Paparazzi nichts zu befürchten hatten - ihm gehörten die Paparazzi. Ich sage euch, Reynold Hobbs könnte von der Harbour Bridge scheißen, und man würde nie ein Bild davon in der Zeitung sehen.
    Ich weiß nicht, wie lange Anouk diesen nicht sehr verheißungsvollen Einsatz geplant hatte, aber sie zeigte mir einen Artikel, in dem es hieß, Reynold Hobbs und sein Sohn Oscar würden heute Abend das Kasino in Sydney besuchen, um zu feiern, dass sie es gerade übernommen hatten. Anouks Plan bestand darin, dass wir ins Kasino gehen und Reynold Hobbs, den reichsten Mann Australiens, überreden würden, sich mit meinem Dad, dem ärmsten Mann Australiens, zu treffen.
    Zu dieser Zeit lebte Anouk wieder bei ihren Eltern in einem netten Haus in einer netten Gegend in einer netten Sackgasse mit einem netten Park gleich nebenan, wo jede Menge Kinder auf der Straße spielten und die Nachbarn sich über den Gartenzaun hinweg unterhielten; überall gab es Rasenflächen vor den Häusern und hinten große Gärten mit Schaukeln und nette, geräumige Familienkutschen in jeder Einfahrt, Hunde, die wussten, wo sie hinscheißen durften und wo nicht, und wenn, dann nur nette, symmetrische Häufchen, geformt wie eine Pfadfinder-Feuerstelle. Es war genau die idyllische Mittelstandsfassade, von der die Leute mit Vorliebe Schicht für Schicht abtragen, um zu sehen, wo der Wurm ist - und der Wurm ist drin, todsicher. Wo ist nicht der Wurm drin? Und, ja, in Anouks Familie war der Wurm drin. Ein dicker Wurm. Ein Wurm, den sie einfach nicht loswurden. Und zwar Anouk. Der Wurm war Anouk.
    Ihr Vater arbeitete im Garten, als ich auftauchte. Er war ein gesund aussehender Mann in den Fünfzigern, so gesund, dass sein Anblick mich jedes Mal den Vorsatz fassen ließ, allmorgendlich fünfzig Liegestütze zu machen. Selbst sein Maurerdekollete war stramm und leuchtete rosig unter den starken, virilen Büscheln seiner Pobehaarung hervor.
    »He, Jasper, wozu hast du dich denn so schick gemacht?«
    »Anouk und ich gehen ins Kasino.«
    »Und wozu?«
    »Um die Bank zu sprengen.«
    Er lachte glucksend. »Gegen diese gewissenlosen Scheißkerle kannst du nicht gewinnen. Die haben alles manipuliert.«
    »Es gibt nicht allzu viele gewissenlose Scheißkerle, gegen die man gewinnen kann.«
    »Nur zu wahr.«
    Anouks Mutter, eine schöne Frau mit grauen Strähnen in ihrem dicken, schwarzen Haar, kam mit einem Glas Wasser für ihren Mann heraus, dann aber mir gab.
    »Hier, bitte schön. He, laufe ich ein, oder wächst du immer noch?«
    »Ich glaube, ich wachse immer noch.«
    »Na, dann hör jetzt nicht damit auf!«
    »Tu ich nicht.«
    Ich mochte Anouks Familie. Sie überschlugen sich nicht, um einem das Gefühl zu geben, willkommen zu sein, sie sahen einen einfach an, als wäre man schon immer da gewesen. Sie waren ehrlich, ernsthaft,

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