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Vatermord und andere Familienvergnuegen

Vatermord und andere Familienvergnuegen

Titel: Vatermord und andere Familienvergnuegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Toltz
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Mindesteinsatz und sah aus, als habe sein Äußeres seit dem letzten Blatt ein wenig gelitten. Anouk und ich gingen etwas näher heran. Er mochte der reichste Mann Australiens sein, aber er war es bestimmt nicht am Spieltisch geworden.
    Sein Sohn, Oscar Hobbs, versuchte einige Meter weiter sein Glück an einem der Pokerautomaten und hielt sich dabei so kerzengerade, wie es nur ein Prominenter kann - ein Mann, der jederzeit fotografiert werden kann, will sagen ein Mann, der niemals in der Nase bohrt oder seine Genitalien sortiert. Sofort rief ich mich zur Ordnung: Vergleich dein Leben nicht mit seinem! Du hast keine Chance! Ich sah mich im Raum nach einem Vorbild um, mit dem ich leben konnte. Da. Ich sah ihn: alter Kerl, nicht mehr viele Zähne, nicht mehr viele Haare, Furunkel am Hals, eine Nase wie eine Riesenflügelschnecke; er würde mein Anker sein. Ansonsten würde ich mich in eine äußerst schwierige Situation hineinmanövrieren. Es war ausgeschlossen, dass ich dem Vergleich mit Oscar Hobbs standhielt, zumal es aktenkundig war, dass Frauen ihm aus der Hand fraßen. Aus der Boulevardpresse wusste ich, wer seine Freundinnen waren, die sich aneinanderreihten wie wunderschöne Perlen auf einer langen Schnur - beneidenswert. Wenn man sich einige der Sahnestücke ansah, mit denen er intim gewesen war, hätte man sich den Arm bis zum Ellbogen abnagen können. Scheiße. Ich kann nicht mal den Gedanken daran ertragen. Offensichtlich war der Erbe des Imperiums nicht scharf auf Publicity; man sah ihn nie auf Vernissagen, in exklusiven Bars oder bei Filmpremieren. Oh, sicher, man sah immer mal wieder ein Eckchen seines Kinns in den Gesellschaftsspalten der Wochenendausgaben, aber so, wie sein Kinn sich vorschob, wusste man sofort, dass es ihn kalt erwischt hatte, so wie die Überwachungskamera einer Bank einen Einbrecher. Aber die Frauen! Immer wenn ich Fotos von ihnen gesehen hatte, verzog ich mich in mein Zimmer und attackierte wütend mein Kopfkissen. Ich habe es mehr als einmal in Fetzen gerissen, und es ist verflixt schwer, ein Kissen zu zerreißen.
    »Und, wie willst du die Sache angehen?«, fragte ich Anouk.
    »Wir sollten von zwei Seiten angreifen. Einer von uns schnappt sich den Vater, der andere den Sohn.«
    »Das wird niemals klappen.«
    »Willst du es mit Reynold oder Oscar versuchen?«
    »Mit keinem von beiden, aber ich denke, ich nehme Reynold. Ich wollte ihn sowieso etwas fragen.«
    »Okay. Aber was soll ich zu dem Sohn sagen? Was meinst du, wie ich mit ihm ins Gespräch kommen kann?«
    »Ich weiß nicht. Tu so, als würdet ihr euch kennen.«
    »Dann denkt er, ich will ihn abschleppen.«
    »Dann beleidige ihn.«
    »Ihn beleidigen?«
    »Zerpflück ihn, wie du es immer machst. Sag ihm, was mit seiner Seele nicht stimmt.«
    »Woher soll ich wissen, was mit seiner Seele nicht stimmt?«
    »Saug dir was aus den Fingern. Sag ihm, seine Seele hat einen von diesen Flecken, die nur verschmieren, wenn man sie wegwischen will.«
    »Nein, das ist nicht gut.«
    »Na schön. Dann sag ihm, er ist so reich, dass er keinen Kontakt zur Realität mehr hat. Das bringt ihn auf Touren. Reiche Leute hassen das.«
    »Aber er ist so reich, dass er den Kontakt zur Realität verloren hat.«
    »Anouk, ob du es glaubst oder nicht, eine finanzielle Notlage ist nicht die einzige offizielle Realität.« »Streiten wir uns nicht. Packen wir es an.« »Okay. Viel Glück.«
    Ich ging zu dem Tisch, an dem Reynold Hobbs mit hochgezogenen Schultern hockte, aber es waren keine Plätze mehr frei. Ich stand herum und atmete den Spielern in den Kragen. Ein Sicherheitsmann beäugte mich misstrauisch, und das aus gutem Grund. Ich benahm mich verdächtig, murmelte vor mich hin: »Was zum Teufel soll ich zu diesem Medienmogul sagen? Wie kann ich ihn dazu bringen, dass er mit meinem Vater spricht? Aus reiner Nächstenliebe? Sicher, Reynold Hobbs ist ein berühmter Philanthrop, aber er verteilt seine milden Gaben telefonisch.«
    Ein neben Reynold sitzender Reporter beendete sein Interview, stand auf und schüttelte ihm die Hand. Ich nutzte die Gelegenheit und quetschte mich neben ihn. Reynold lächelte mich herzlich an, aber ich spürte sofort, dass er sich unwohl fühlte. Manche Menschen haben einfach kein Talent für Gespräche mit Menschen unter zwanzig, und je näher man der Null ist, desto größer ist ihr Unbehagen. Er drehte sich von mir weg und ließ sich sofort in ein Gespräch mit seinem Anwalt verwickeln, in dem es um die durchschnittliche

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