Vatermord und andere Familienvergnuegen
Schriftgradgröße des Kleingedruckten in einem rechtsgültigen Vertrag ging. Reynold wollte irgendeine Klausel in der Times New Roman setzen lassen, allerdings auf Schriftgrad vier verkleinert. Sein Anwalt ließ sich über die ethischen Konsequenzen aus und erklärte, alles Gedruckte dürfe nicht kleiner sein als Schriftgrad sieben, um »unanfechtbar« zu sein.
»Entschuldigen Sie, Mr. Hobbs?«, sagte ich.
Er wandte sich langsam um, als wollte er sagen: »Alles, was von meinem Atem gestreift wird, wird zu Gold, ich tue dir also schon einen großen Gefallen, indem ich nur in deine Richtung schaue«, und als seine Augen mich erreichten, geschah dies mit einer grenzenlosen inneren Ruhe, die mir unmissverständlich zu verstehen gab, dass er trotz unserer körperlichen Nähe unerreichbar war.
»Was denn?«
»Sie besitzen doch einige unserer Tageszeitungen, oder?« »Und?«
»Tja, Macht soll ja angeblich korrumpieren, Mr. Hobbs. Aber was Sie tun, ist nicht korrupt - geistigen Dünnschiss zu verkaufen, ist nicht korrupt, es ist nur eine unfassbare Machtverschwendung. Bei all dem Einfluss, den Sie ausüben, bei den unendlich vielen Wahlmöglichkeiten, die Sie haben, könnten Sie alles drucken, und doch entscheiden Sie sich für Achselschweiß. Warum?«
Reynold wusste nicht, was er antworten sollte. Ich sah hinüber zu Anouk. Sie schien sich weitaus besser zu schlagen als ich. Oscar machte ein betretenes Gesicht. Ich fragte mich, was sie zu ihm sagte.
Reynold ignorierte mich immer noch. Ich fuhr fort: »Okay, Sie wollen Zeitungen verkaufen. Das verstehe ich. Sie verkaufen rotzfrischen Nasenschleim, weil die Öffentlichkeit von frischem Nasenschleim einfach nicht genug bekommen kann. Aber könnten Sie Ihre Zeitungen nicht wenigstens ein bisschen emanzipatorischer aufziehen? Wie wäre es, wenn Sie eine Viertelseite tibetanischer Weisheiten zwischen die aufgewärmten Schlagzeilen und das tägliche Horoskop schmuggelten? Würde dann die Auflage in den Keller gehen?«
Der Sicherheitsmann legte mir die Hand auf die Schulter. »Komm«, sagte er, »gehen wir.«
»Ist schon gut«, sagte Reynold, ohne mich aus den Augen zu lassen.
Ich ließ nicht locker. »Schauen Sie sich nur mal an, wie schamlos reißerisch die Frankie-Hollow-Geschichte verwurstet wird.
Seit dem ersten Tag habt ihr nicht eine neue Information, aber ihr klatscht es trotzdem auf die erste Seite, dreht und wendet die Chose, alles noch mal aus der Perspektive der Scheiße im Hotelklo und noch mal aus der des Vogels, der am Fenster vorbeiflog. Ehrlich, Mr. Hobbs, es ist doch alles Käse. Wie können Sie mit sich selbst leben? Sie bezahlen doch sicher jemanden, der für Sie in den Spiegel sieht.«
»Hör mal zu, Bürschchen, wer immer du bist. Eine Zeitung ist dazu da, zu berichten, nicht um die Seelen der Menschen zu erleuchten. Revolverblätter setzen auf Sensationslust, weil das Leben der Menschen nicht sensationell ist. So einfach ist das. Nichts puscht die Auflage so wie der Tod eines Prominenten. Und weißt du, warum? Weil die ungedruckte Schlagzeile besagt: >Auch Götter sind sterblich<. Kapiert?«
»Klar. Kann ich mir dreißigtausend Dollars leihen?«
»Wozu?«
»Um die ganze Welt zu durchstreifen. Für den Anfang würden mir auch zehntausend genügen.« »Wie alt bist du?« »Siebzehn.«
»Du solltest nicht auf Almosen spekulieren. Du solltest motiviert genug sein, es aus eigener Kraft zu schaffen.«
»Mindestlohn ist kein besonderer Ansporn.«
»Ja, also ich habe mit Mindestlohn angefangen. Mir hat man nie etwas geschenkt. Ich habe für das, was ich habe, gearbeitet.«
»Das ist eine schöne Ansprache. Eine Schande, dass Sie nicht Ihre eigene Laudatio halten können.«
»Okay. Du hast meine Geduld lange genug strapaziert.«
Er nickte dem Sicherheitsmann zu, der mir auf die Beine half, indem er mich am Nacken packte.
»Noch eine Sache!«, rief ich.
Reynold seufzte, aber ich merkte, dass er neugierig war, was ich sagen würde. »Aber schnell«, sagte er. »Mein Vater möchte sich mit Ihnen treffen.«
»Und wer ist dein Vater?« »Martin Dean.« »Nie von ihm gehört.«
»Ich habe nicht gesagt, er sei berühmt. Ich habe nur gesagt, er will Sie treffen.« »Weswegen?«
»Warum lassen Sie ihn das nicht selbst sagen?«
»Weil ich keine Zeit habe. Ich habe genug um die Ohren.«
»Sie sind doch reich. Kaufen Sie sich einen neuen Satz Ohren.«
Reynold nickte erneut, und der Sicherheitsmann zerrte mich vom Tisch weg. Irgendjemand fotografierte
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