Vatermord und andere Familienvergnuegen
ihn sah, war mir sofort klar, dass er mich schon immer gehasst haben muss. Ich beobachtete ihn genau. Er war nicht zu durchschauen. Vielleicht hatte er so lange vorgegeben, mich zu mögen, dass er vergessen hatte, dass dem gar nicht so war. Und warum sollte er überhaupt vorgeben, mich zu mögen? In welche raffinierte Falle sollte ich tappen? Wahrscheinlich in gar keine - wahrscheinlich war er einsam, das war alles. Plötzlich hatte ich Mitleid mit uns allen. »Wo hast du gesteckt?«, fragte ich.
»Thailand. Thailand würde dir gefallen. Du solltest mal hinreisen.«
»Warum zum Teufel sollte mir Thailand gefallen? Ich sage dir, wo es mir gefallen könnte: Wien, Chicago, Bora Bora und St. Petersburg in den 1890ern. Bei Thailand bin ich da nicht so sicher. Was hast du dort getrieben?«
»Hab ich heute dein Bild auf der Titelseite gesehen?«
»Kann schon sein.«
»Was geht hier vor?«
Ich sagte ihm, was vorging. Während er zuhörte, schienen Eddies Augen tiefer in seinen Schädel einzusinken.
»Hör mal«, sagte er, »ich mache im Moment gar nichts. Du weißt ja, bei mir ist es in letzter Zeit nicht sonderlich gut gelaufen. Ihr braucht nicht zufällig jemanden, der mithilft, die Leute zu Millionären zu machen?«
»Vielleicht«, sagte ich. »Warum nicht?«
Es stimmte, Eddie hatte ein bisschen Pech gehabt. Und sein Leben hatte er sich auch verpfuscht. Die Striplokale, die er gemanagt hatte (eines davon hatte ich in einem Moment geistiger Umnachtung mit meinem Auto teilweise verwüstet), waren von der Polizei geschlossen worden, weil er dort minderjährige Mädchen arbeiten ließ. Außerdem waren sie bekannte Drogenumschlagplätze, und eines Nachts gab es eine Schießerei mit Todesopfern, schlimmer ging es nicht. Eddie hatte all diese Desaster bemerkenswert gelassen überstanden, und das war sicherlich nicht nur Fassade. Irgendwie gelang es ihm, auf Distanz zur physischen Welt zu gehen. Als spielten sich die Ereignisse in einer Realität ab, die er durch einen Feldstecher beobachtete.
Als er mich fragte, ob er bei unserem Millionärsprojekt mitmachen dürfe, sagte ich natürlich Ja. Wenn jemand, der einem nahesteht und einen nie um etwas gebeten hat, das irgendwann doch tut, ist das sehr bewegend. Außerdem schuldete ich ihm noch immer all das Geld, das er mir geliehen hatte, und auf diese Art konnte ich es ihm zurückzahlen.
Da er schon Erfahrung als Geschäftsführer hatte, schlug ich vor, er solle sich ums Organisatorische kümmern; ich selbst wollte damit nichts zu tun haben.
»Ich kann's gar nicht glauben, wir machen Leute zu Millionären«, sagte Eddie. »Ist ein bisschen wie Gott spielen, oder?«
»Ach ja?«
»Ich weiß nicht. Eine Sekunde lang dachte ich, es wäre so.«
Wenn wir im Film über sein Leben Gott spielten, würde es zu seiner Rolle passen, Geld wegzugeben? Mit der ganzen großen Ewigkeit im Rücken würden vermutlich sogar Gott irgendwann die Ideen ausgehen.
Oscar war nicht begeistert von der Idee, Eddie den geschäftlichen Teil des Unternehmens zu überlassen, aber er leistete bereits Übermenschliches mit der Leitung von zwei Fernsehsendern, einem
Internetanbieter und drei Tageszeitungen. Ich war ganz gegen meinen Willen beeindruckt. Wenn Sie wüssten, wie hart diese Scheißtypen arbeiten, würden Sie nie wieder auf die Privilegierten schimpfen - Sie würden diese Privilegien nicht geschenkt haben wollen. Daher gab er Eddie sein Okay und überließ uns ein großes Büro im Hobbs News Building. Wir durften uns unsere Mitarbeiter selbst aussuchen, und obwohl wir nur Frauen mit imposantem Dekollete einstellten (die Macht der Gewohnheit aus den Zeiten der Striplokale), machten wir trotzdem nicht nur Faxen. Eddie hängte sich sofort rein. Er nahm die Sache wirklich und wahrhaftig in die Hand. Weil Oscar seine Beziehungen spielen ließ, konnten wir uns die Wählerlisten von jedem Staat beschaffen, legten eine Datenbank an und bastelten uns ein System, das die Namen im Computer durcheinanderwirbelte wie Bälle in einer Lostrommel. Und dann sollte der Computer nach dem Zufallsprinzip zwanzig Namen heraussuchen. Auch wenn ich es nicht genau erklären kann, wirklich kompliziert war es nicht. Aber es gibt eine Menge einfacher Dinge, die ich nicht verstehe.
Und das war's eigentlich auch schon. Die Zeitungen veröffentlichten die nötigen Details, und gegen Ende der Woche flössen die ersten Dollars. Unser Büropersonal versank in aufgerissenen Umschlägen und Millionen runder, kalter
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