Vatermord und andere Familienvergnuegen
Dollars. Ferner rüsteten wir uns für die große Galapremiere, den Abend, an dem die Namen der ersten Gewinner im überregionalen Fernsehen bekannt gegeben werden sollten. Geplant war eine dieser erlesenen Partys, bei denen sich die Gäste entweder über einen lustig machen oder so tun, als gäbe es einen nicht. Ich freute mich nicht darauf. Als geistiger Vater dieses naiven Projekts sollte ich neben Oscar Hobbs auf der Bühne stehen und die Namensliste verlesen, und dann würden die frisch gebackenen Millionäre, die Eddie und sein Team zusammengetrieben hatten, zu uns heraufstürmen und entsprechend aufkreischen. So weit der Plan. Heute war Donnerstag. Die Party sollte am nächsten Freitag sein. Oscar hatte einen Deal mit sämtlichen Fernsehsendern abgeschlossen. Es würde so sein wie bei der Mondlandung. Einen Abend lang würde es einen Waffenstillstand zwischen den verschiedenen Sendeanstalten geben. Oscar war unglaublich. Das alles hatte er nebenbei erledigt, während er seinen ganzen Riesenkram managte.
Ich fühlte mich wie neu erschaffen, aber meine Energie war immer schnell erschöpft, und ich fiel jeden Abend wie tot in mein Bett, in dem oft Anouk auf mich wartete. Wir brauchten nicht lange, bis wir beide ganz erledigt waren.
»Bist du glücklich, Martin? Bist du glücklich?«, fragte sie ab und zu.
Was für eine sonderbare Frage, und ausgerechnet an mich gerichtet. Ich schüttelte den Kopf. »Glücklich? Nein. Aber mein Leben hat eine kuriose Wendung genommen, die es zum ersten Mal interessant für mich macht.«
Daraufhin lächelte sie erleichtert.
An dem Donnerstag unmittelbar vor der Party saß ich reglos hinter meinem Schreibtisch wie ein nicht hierhergehörendes Büromöbel, da klingelte das Telefon. Ich nahm den Hörer ab.
»Hallo?«
»Was zum Teufel fällt dir eigentlich ein?« »Es tut mir leid, ich gebe keine Interviews.« »Dad - ich bins.« »Oh, Jasper. Hallo.« »Was hast du vor?« »Was ich vorhabe?«
»Du kannst doch unmöglich die Leute grundlos zu Millionären machen.«
»Warum sagst du das?«
»Weil ich dich besser kenne, als du dich selbst kennst.« »Meinst du?«
»Das ist nur dein erster Schachzug, oder?« »Ich rede darüber nicht gerne am Telefon. Lass uns lieber treffen.«
»Ja - sehr bald«, sagte er.
Er legte auf, und ich starrte wehmütig das Telefon an, bis es jemandem auffiel, dann tat ich so, als würde ich es sauber wischen. In Wahrheit vermisste ich Jasper: Er war der Einzige, der verstand, dass Leute zu Millionären zu machen, ein eiskalt berechneter fauler Zauber war, ein Mittel zum Zweck - und der Zweck war, Leute auf meine Seite zu ziehen und dann mit etwas Neuem zu kommen, das sogar den Tod überraschen würde. Ja, das war von Anfang an die Strategie gewesen, ihre Anerkennung zu gewinnen, um ihrer unbewussten Versuche, mich zu vernichten, etwas entgegensetzen zu können. Wie von Jasper richtig vermutet gewesen, hatte ich einen einfachen Plan:
1. Alle in Australien zu Millionären machen und damit die
Unterstützung, das Vertrauen und vielleicht sogar die Bewunde-
rung aller zu gewinnen, wodurch ich auch
2. die Medienzaren auf meine Seite zog, während ich zugleich
3. Politiker wurde und bei den nächsten Bundestagswahlen einen Sitz im Parlament gewann, woraufhin ich dann
4. die grundlegende Umgestaltung der australischen Gesellschaft gemäß meiner Ideen und Vorstellungen in Angriff nehmen
5. und damit Jasper beeindrucken würde, der sich weinend entschuldigen würde, während ich
6. so oft wie möglich Sex mit Anouk hatte und dann
7. schmerzlos starb, zufrieden, dass eine Woche nach meinem Tod
8. die Arbeit an den Statuen beginnen würde, die an allen öffentlichen Plätzen aufgestellt werden würden und die Besonderheiten meines Kopfes und Körpers getreulich wiedergeben sollten.
Das war der Plan: ein Ausrufezeichen ans Ende meines Lebens zu setzen! Bevor ich starb, wollte ich sämtliche Ideen aus meinem Kopf vertreiben - jede Idee, so dumm sie auch sein mochte -, damit mein Sterben einem Prozess der Entleerung gleichkäme. Wenn alles so ablief, wie geplant, würde das Bild meines eigenen
Todes für mich in ein Bild des aufgebahrten Lenin übergehen. In pessimistischen Momenten verflocht sich das Bild meines Todes mit dem von Mussolini, aufgeknüpft an einer Esso-Tankstelle in Mailand.
Während ich auf den großen Abend wartete, drückte ich mich, leicht gereizt, weil ich nichts zu tun hatte, im Büro herum. Ich hatte alles
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