Vatermord und andere Familienvergnuegen
Dunkelgrün wie bei starken Rauchern. Caroline war auf so etwas nicht gefasst; ich war wenigstens meine ganze Kindheit über drangsaliert worden und kannte das schon; ich hatte genug bittere Erfahrungen gemacht und musste nicht alles auf nüchternen Magen schlucken. Ich hatte als Objekt der Verachtung begonnen, und nun endete ich auch so - kein Grund, sich künstlich darüber aufzuregen.
Und nun kommt das Traurigste daran, die eigentliche Tragödie: Meine ganzen Reformen wurden systematisch zurückgenommen, all meine Innovationen, all meine zweifelhaften Errungenschaften. Fertig, aus! Die kürzeste soziale Revolution der Weltgeschichte! Dieses Häppchen australischer Geschichte blieb als Pesthauch im Gedächtnis. Die Farce, die ich inszeniert hatte, fand keinen Anklang mehr. Jetzt fiel es den Leuten wie Schuppen von den Augen: Man hatte sie hinters Licht geführt. Wir waren wieder da, wo wir angefangen hatten. Eher noch weiter zurückgeworfen. Sie reduzierten mich auf einen sinnlosen Irrweg und schrieben dabei mit Überschallgeschwindigkeit die Geschichte um. Mit jeder neuen Nachrichtensendung wurden ganze Monate ausgelöscht. Jeder Fernsehsender hatte seine tieftraurige Rentnerin, die aufsagte, wie sie sich jede Woche ihren Dollar vom Munde abgespart hatte und was ihr dadurch entgangen war: Milch, Spüli und - ohne eine Spur von Ironie - Lotterielose. Ja, die staatliche Lotterie war wieder im Geschäft. Die Leute hatten endlich wieder lausige Gewinnchancen.
Vor dem Spiegel versuchte ich zu lächeln; das Lächeln ließ meine Tristesse wie eine ewig währende Entstellung aussehen. Ich war selbst schuld! Ich hätte gegen meine Bedeutungslosigkeit genauso wenig ankämpfen sollen wie gegen die Tumore. Ich hätte meine Tumore hegen und pflegen sollen, bis sie groß und fleischig waren.
Die meiste Zeit lag ich damals ausgestreckt auf dem Fußboden meines Schlafzimmers, das Kinn auf den beigefarbenen Teppich gestützt, bis es sich beige anfühlte und meine Innereien auch: beige Lungen, ein beigefarbenes Herz, das beigefarbenes Blut durch beige Adern pumpte. Daher lag ich auch auf dem Boden, als Jasper hereingeplatzt kam, meine friedliche beigefarbene Existenz störte, um die ganzen mir geltenden Morddrohungen an mich weiterzuleiten.
»Und wer zum Henker ist Tim Lung?«, fragte er.
Ich rollte mich auf den Rücken und erzählte ihm alles, was ich wusste, was nicht besonders viel war.
»Meine Mutter starb also bei einem Bandenkrieg auf einem seiner Boote?«
»So könnte man sagen.«
»Also hat dieser Mann meine Mutter umgebracht.« »Sie hat Selbstmord begangen.«
»Egal, dieser Dreckskerl hat unser Leben zerstört. Ohne ihn hätte ich vielleicht eine Mutter, und du wärst vielleicht nicht Australiens beliebtestes neues Hassobjekt.«
»Vielleicht.«
»Was erzählt Eddie denn über ihn?« »Eddie erzählt gar nichts.«
Das stimmte. Die Behörden saßen auch ihm im Nacken, nicht nur, weil er das ganze Projekt verwaltet hatte. Weil er sein Visum überzogen hatte, hatte er sich ohnehin schon strafbar gemacht - man hatte seinen Reisepass eingezogen und bestellte ihn jeden zweiten Tag zum Verhör ein. Er war nur deshalb noch nicht nach Thailand ausgewiesen worden, weil er für die Ermittlungen gebraucht wurde. Dennoch blieb er als Einziger von uns gelassen. Seine Gelassenheit wirkte so natürlich und unerschütterlich. Auf einmal bewunderte ich ihn, denn selbst wenn seine Seelenruhe womöglich nur eine Maske war, so war sie doch die strapazierfähigste, die ich je gesehen hatte.
»Das ist vielleicht ein Schlamassel«, meinte Jasper. »Was wirst du jetzt unternehmen?«
Gute Frage. Es ging um schweren Betrug. Alle waren sich einig darüber: Martin, du musst dich auf eine Gefängnisstrafe einstellen. Wie soll man sich auf so etwas einstellen? Sollte ich mich mit Wasser und trocken Brot im Schrank einschließen? Aber irgendetwas musste ich tun. Es kamen immer mehr Dinge zusammen, die ungünstig für mich aussahen - lächerlicherweise rollten die Behörden auch den Fall mit dem Handbuch des Verbrechens wieder auf. Plötzlich ging ihnen auf, dass sie ja schon etwas gegen mich in der Hand hatten. Ich war wie ein baufälliges Haus, das nun zum Abbruch freigegeben war, und alle wollten dabei zusehen.
Meine einzige Hoffnung bestand darin, Bereitschaft zu signalisieren, einen Teil des Geldes zurückzuzahlen, auf die geringe Chance hin, dass dies die Leute ein klein wenig besänftigte. Ich würde erklären, ich sei genauso
Weitere Kostenlose Bücher