Vatermord und andere Familienvergnuegen
Ausländer zu buddhistischen Mönchen geweiht werden könnten, was ich zunächst für eine eindrucksvolle Ergänzung meiner bisherigen Vita hielt. Doch dann fand ich heraus, dass es einem als Mönch verwehrt war, Wanzen umzubringen (selbst wenn sie einem in den Schlafanzug kriechen). Stehlen ist verboten, Lügen, Sex, jeder Luxus und alle Rauschmittel inklusive Bier und doppelte Espressi, und ich glaubte nicht, dass da außer Meditieren und dem rituellen Abbrennen von Räucherstäbchen noch viel übrig blieb. Die Philosophie der Buddhisten basiert auf der Auffassung, dass alles Leben Leiden ist, und das ist es tatsächlich, vor allem wenn man vom Stehlen und Lügen, von Sex, Luxusgütern, Bier und doppelten Espressi Abstand nimmt. Außerdem war ich ohnehin zu hasserfüllt, um ein buddhistischer Mönch zu werden; in Gedanken verfasste ich Briefe an das Flammende Inferno, in denen Komposita wie »Fotzenfotze« und »Nuttennase« vorkamen und Flüche wie »Du sollst an deiner Gebärmutter ersticken«. Buddhisten denken so etwas im Allgemeinen nicht.
Ich erzählte Terry von meinem Plan, Tim Lung zu ermorden, und wir lachten, bis wir Seitenstiche bekamen. Eine tolle Geschichte, um das Eis zu brechen. Danach verbrachten wir viele Tage und Abende zusammen, und wenn ich zu Bett ging, rauschte es mir in den Ohren. Wie sein Bruder neigte auch Terry zu endlosen Redeanfällen, verrückten Monologen über jedes erdenkliche Thema. Manchmal wurden sie von Momenten der Introspektion unterbrochen, wobei er den Finger hob, als würde er das Universum auf stumm schalten; dann wiegte er sich mit offenem Mund auf seinen fetten Stummelbeinen hin und her, die Pupillen verengt, als würde ich ihm mit einer Taschenlampe ins Gesicht leuchten. Minuten verstrichen auf diese Weise, bis er den Finger wieder senkte und weiterredete. Das tat er, egal, wo wir gerade waren: in Restaurants und auf Gemüsemärkten, auf den Mohnfeldern oder in Sexshows. Je mehr Zeit ich mit Terry verbrachte, desto besser erkannte ich hinter seinem frechen Grinsen eine innere Stärke und etwas Zeitloses. Selbst die Krümel, die der panierte Fisch in seinem Bart hinterlassen hatte, wirkten zeitlos, so als ob sie schon immer dort gewesen wären.
Er hatte eigenwillige Angewohnheiten. Er zog gern durch die Straßen, um zu testen, ob ihn jemand bestehlen wollte. Oft ließ er sich etwas aus der Tasche ziehen, um sich dann darüber zu amüsieren, was die Diebe mitgenommen hatten. Manchmal hielt er Taschendiebe fest und erklärte ihnen, was sie falsch machten. Mitunter mietete er sich in Jugendherbergen für Rucksacktouristen ein und feierte, getarnt durch einen deutschen Akzent, Partys mit ihnen. Und er verpasste keinen einzigen Sonnenauf- oder -untergang. Eines Nachmittags sahen wir zu, wie ein dunkelroter Sonnenball am Horizont versank. »Das ist einer dieser Sonnenuntergänge, die erst durch den Smog einer überfüllten Stadt so prächtig werden. Irgendwer muss es mal aussprechen, und warum nicht ich: Im Vergleich dazu verblasst die Leistung der Natur. Eines Tages werden wir uns alle im Licht eines nuklearen Winters aalen, und weiß Gott, das wird ein himmlischer Anblick sein!«
Neben dem Heroinschmuggel und der Prostitution zählten die Wetten beim Thaiboxen, dem Nationalsport, zu den Haupteinnahmequellen der Verbrechenskooperative. Terry nahm mich immer mit, wenn er die Boxer schmieren ging, damit sie einen K.o. vortäuschten. Ich musste an sein Vermächtnis in Australien denken, wie besessen er versucht hatte, die Korruption im Sport zu bekämpfen, und es beeindruckte mich, dass es ihm jetzt so scheißegal war. Auf dem Weg zu den Kämpfen versuchte Terry häufig, ein Tuk-Tuk, ein Moped mit Sitzbank für Passagiere, anzuhalten, um dem Fahrer einen Schrecken einzujagen - niemand wollte meinen mammuthaften Onkel chauffieren, daher mussten wir immer laufen. Nicht ein einziges Mal wurde Terry wütend; er freute sich, dass wir dadurch die Gelegenheit bekamen, an einem Gemüsemarkt Station zu machen, wo er einen frischen Bund Koriander kaufen konnte, den er sich dann um den Hals hängte (»Riecht besser als jede Blume!«). Während der Boxkämpfe wollte er alles über mich erfahren: was ich mochte und was nicht, wie meine Hoffnungen aussähen, meine Ängste, meine Ziele. Obwohl Prostitution, Glücksspiel und Drogen sein täglich Brot waren, zählte Terry zu den Menschen, die einen dazu bringen, absolut ehrlich zu sein. Ich vertraute mich ihm auf eine Weise an, wie ich mich
Weitere Kostenlose Bücher