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Vatermord und andere Familienvergnuegen

Vatermord und andere Familienvergnuegen

Titel: Vatermord und andere Familienvergnuegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Toltz
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Zukunft als einen Stiefel beschrieben hatte, der unaufhörlich in ein menschliches Gesicht tritt, und ich dachte, dass ich von ebensolchen Stiefeln umzingelt war, derart abscheulichen Menschen, dass die gesamte Menschheit dafür bestraft werden sollte, weil sie nichts tut, um sie auszumerzen. Der Job dieser Schlepperbanden war es, verzweifelte Menschen anzulocken, ihnen den letzten Penny abzunehmen und sie anzulügen, bevor sie sie in Boote steckten, die in der Regel untergingen. Jedes Jahr schickten sie Hunderte in einen entsetzlichen Tod. Diese Ausbeuter in Reinkultur waren die Darmverstimmung der Schöpfung, und als ich sie mir so anschaute, als Repräsentanten des gesamten Menschengeschlechts, dachte ich, dass ich mit Freuden verschwinden würde, wenn das bedeuten würde, dass es auch sie nicht mehr gäbe.
    Der Boss redete gerade leise auf Thai, als Terry das Bewusstsein wiedererlangte. Wir halfen ihm vom Boden auf, was gar nicht so leicht war. Er rieb sich den Kopf und sagte: »Sie sagen, es würde dich fünfundzwanzigtausend kosten.«
    »Fünfzigtausend«, korrigierte ich.
    »Jasper«, flüsterte Dad, »verstehst du denn gar nichts vom Handeln?«
    »Ich komme mit«, sagte ich.
    Dad und Terry tauschten Blicke. Dads war düster und schwer, während sein Bruder perplex die Augen aufriss.
    »Ein Großteil dieser Boote sinkt, bevor sie Australien erreichen«, sagte Terry besorgt. »Marty! Ich muss dir das strikt untersagen! Du darfst Jasper nicht mitkommen lassen!«
    »Ich kann ihn nicht daran hindern«, sagte Dad, und ich hörte aus seiner Stimme eine gewisse Begeisterung dafür heraus, nun, da sein Leben vorbei war, rücksichtslos mit meinem umzugehen.
    »Jasper, du bist verrückt. Tu das nicht«, protestierte Terry.
    »Ich muss.«
    Terry seufzte und murmelte, ich würde meinem Vater mit jedem Tag ähnlicher werden. Der Deal wurde mit einem Handschlag und fünfzig Riesen besiegelt. Nachdem die Transaktion vollzogen war, schienen sich die Schlepper zu entspannen und boten uns sogar ein paar Biere »aufs Haus« an. Beim Anblick dieser Verbrecher stellte ich mir vor, dass ich irgendwann in jüngeren Jahren vom evolutionären Hauptstamm abgezweigt sein musste und mich in einer geheimen Parallelwelt zum Menschen entwickelt hatte.
    »Verrat mir mal eins«, sagte Terry, nachdem wir das Restaurant verlassen hatten. »Warum gehst du mit?«
    Ich zuckte die Achseln. Es war nicht so leicht, dies zu erklären. Ich wollte nicht, dass diese Menschenhändler, diese dreckigen Aasgeier, Dad reinlegten und seine Leiche eine halbe Stunde nach dem Ablegen ins Meer warfen. Doch es war nicht nur ein Anfall von Selbstlosigkeit, sondern auch eine Art Präventivschlag. Ich wollte nicht, dass Dads Groll mich noch aus dem Grab verfolgte oder kleine Wellen von schlechtem Gewissen an die Gestade meiner zukünftigen Gemütsruhe plätscherten. Aber in erster Linie sollte es eine rührselige, empfindsame Reise werden: Wenn er sterben würde, entweder auf See oder »im Kreise seiner Lieben« (wer zum Teufel das auch immer sein sollte), wollte ich es mit eigenen Augen sehen, von Angesicht zu leblosem Angesicht. Mein Leben lang hatte mich dieser Mann mit einer sinnfreien Idee nach der anderen geplagt, und nachdem ich das ganze Drama seines Lebens durchgestanden hatte, kränkte mich die Vorstellung, das große Finale zu verpassen. Er mag sein eigener größter Feind gewesen sein, aber er war auch mein größter Feind, und ich würde den Teufel tun und geduldig am Flussufer sitzen - wie es in dem chinesischen Sprichwort heißt - und darauf warten, dass seine Leiche an mir vorbeitreibt. Ich wollte sehen, wie er stirbt, ich wollte ihn begraben und die Erde mit meinen bloßen Händen festklopfen. Ich sage das als sein liebender Sohn.
     

III
    Unser letzter Abend in Thailand: Terry bereitete ein Festessen vor, aber das wurde schon im Ansatz durch Dads Fernbleiben ruiniert. Wir durchsuchten das ganze Haus, besonders die Badezimmer und Toiletten, jedes Loch, in das er hätte hineinfallen können. Schließlich fanden wir auf seinem Schreibtisch eine kurze Nachricht: »Lieber Jasper, lieber Terry. Bin im Puff. Bis später.«
    Terry nahm es sehr persönlich, dass ihn sein Bruder am letzten gemeinsamen Abend sitzen ließ, und ich konnte ihn nicht recht davon überzeugen, dass jeder sterbende Mann sein ganz eigenes archaisches Ritual vollziehen muss: Manche halten ihren Lieben die Hand, andere ziehen ungeschützten, ausbeuterischen Dritte-Welt-Sex vor.
    Vor dem

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